Dhalgren
Orchidee.
Die Klingen, zweimal so lang wie an seiner, waren aus Messing. Auf dem Schmuckband bildeten Messingblätter, -muscheln und -klauen die Griffe der Damaszenermesser.
Tak legte sich die Spitzen um seine rechte Brustwarze, drückte, zuckte zusammen und - ließ die Waffe in den Schoß fallen. »Nicht dein Fall, huh?« In dem gelben Haar umringten rötliche Punkte seine Brust. »Es ist wunderschön.« Er lächelte, schüttelte den Kopf und legte es in die Schublade zurück.
»Kann ich mir den Brandy in den Kaffee gießen?«
»Du kannst machen, was immer du willst.«
»Oh, yeah.« Er goß das Glas in das dampfende Schwarz. »Uh . . . danke.« Er hob die Tasse. Brandy dampfte ihm ins Gesicht. Ein tiefer Atemzug ließ seine Zunge in der Kehle zittern. »Sehr schönes Frühstück.« Zusammengekniffene Augen beobachteten die seinen hinter dem hochgehobenen Tassenboden.
Er trank, setzte die Tasse auf den Boden und stieß mit dem Daumen das letzte Schinkenstück auf die Gabel; immer noch kauend stellte er den Teller neben die Tasse.
»Noch einen Brandy?«
»Nein, danke.«
»Komm.« Tak schüttete sich ein viertes Glas ein. »Entspann dich. Zieh dein Hemd aus.«
Er wußte, was kam, seit er im Park die Einladung angenommen hatte. Zu einer anderen Zeit hätte er sich etwas dabei gedacht. Aber Gefühle waren in ihm verstummt; die Dinge hatten sich bis hierher entwickelt, ohne daß er darüber nachgedacht hatte. Er überlegte, was er sagen könnte, es fiel ihm aber nichts ein; also knöpfte er die drei Knöpfe auf und zog die Ketten aus der Hose.
Tak hob die Augenbrauen angesichts der optischen Kette. »Wo hast du das her?« »Auf dem Weg hierher.« »Außerhalb der Stadt?«
»>Made in Brasil < steht drauf . . . glaube ich.«
Tak schüttelte den Kopf. »Bellona ist eine Stadt merkwürdiger . . .« er zog das Wort ironisch in die Länge - »Handwerker geworden. Ah, all die Produkte, die hier hergestellt werden! Orchideen, Lichtschilde, diese Kette, die du da trägst - unsere spezielle Volkskunst.«
»Ich werde sie nicht abnehmen.« Diese Überzeugung überraschte ihn; daß er es aussprach, verblüffte ihn.
Tak lachte. »Ich habe dich nicht darum gebeten.« Er sah auf seine Brust hinunter, malte mit dem Zeigefinger von einem rosa Punkt zum nächsten - man konnte immer noch sehen, wo er die Orchideenspitzen angepreßt hatte. »Du hast Nerven, wenn du denkst, du warst immer schon verrückter als die anderen.«
Sein Hemd lag neben ihm auf dem Bett. Er zog die Hände auf dem Schoß zusammen, Finger und Knöchel schlangen sich umeinander - kratzte seinen dunklen behaarten Bauch mit dem Daumen. »Sieh mal . . . wenn man verrückt ist.« Er fühlte sich selbstgerecht und schüchtern, blickte auf die doppelte Faust aus Fleisch, Haar, Horn und Schwielen, die sich in seine Magengrube bohrte; plötzlich schienen die Knochen darin schwer zu werden. »Du bist es nicht, und du warst es auch nie. Das heißt, was du siehst, und hörst und fühlst und denkst ... du denkst, das ist dein Kopf. Aber die realen Gedanken sind unsichtbar: Du nimmst sie weniger wahr, während du denkst, als du dein Auge wahrnimmst, wenn du siehst ... bis irgend etwas falsch läuft. Dann merkst du es, mit all den nicht zusammenpassenden Teilen und seiner aus den Fugen geratenen Funktion, genauso wie du dein Auge plötzlich merkst, wenn dir ein Stäubchen hineingeflogen ist. Weil es weh tut . . . Klar, es verzerrt die Dinge. Aber das Komische ist, daß du das niemals erklären kannst, außer einem anderen Irren, oder, wenn du Glück hast, einem Arzt, der ungewöhnlich vernünftig ist - komischer als die Halluzinationen oder die Stimmen oder die Angst - ist die Art, wie du die Grenzen deiner Gedanken selbst zu erfahren beginnst ... so wie das andere Leute nicht können.« Er schob das Hemd ans Fußende des Bettes und zog mit den Zehen die Sandale vom anderen Fuß. »Siehst du?« Mit dem Fuß, der nackt gewesen war, konnte er die Struktur des Fußbodens viel besser ertasten.
»Okay.« Tak sprach sanft und beschwichtigend. »Warum ziehst du den Rest nicht auch noch aus?«
»Weil ich entsetzlich schmutzig bin, Mann -« Er verdrehte die Augen. »Wahrscheinlich stinke ich höllisch. Wenn du nicht willst. . .«
»Ich weiß genau , wie du stinkst«, sagte Tak. »Mach weiter.«
Er atmete ein, fand es plötzlich komisch, legte sich auf die harten Planken zurück, öffnete den Gürtel und schloß die Augen.
Er hörte, wie Tak grunzte. Einer, dann der andere
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