Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany

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Glas zu dem kleinen, hohen Fenster hinaufsah.
    Kid spürte, wie sich seine Wangen unter dem Druck der Überraschung auf seiner Stirn in Falten zogen.
    Sie wollte irgend etwas sagen und meinte dann: »Huh?«
    Der Nebel draußen hatte sich bläulich gelichtet.
    Dann drehte sich Glas um und rannte die Treppe hinauf.
    »Hey!« Kid folgte ihm.
    Hinter sich hörte er, wie sie mit ihren Schuhen kämpfte. Kid rannte durch den Flur, stürmte nach draußen. Glas, ein Dutzend Schritte vor ihm auf der Straße, starrte den Block entlang.
    Kid ging zu ihm, drehte sich beim Geräusch von Schritten um. Sie hielt an der Türschwelle an, beugte sich hinaus. Ihr Gesicht verzog sich gequält: »Jesus. Gott«, sagte sie leise, kam heraus und hob den Kopf. ». . . es wird . . . hell!«
    Kids erster Gedanke war: Es passiert zu schnell. Die ungleichmäßigen Dächer senkten sich in einem bleichen V herab, Rauch wirbelte auf. Er starrte und wartete auf eine Eruption bronzenen Feuers. Aber nein: Der Bogen des sichtbaren Himmelsstücks war zwar mit Rauch gefleckt und gemustert, aber tiefblau, außer in dem äußersten Rand, wo er grau geworden war.
    »Oh, Mann!« Glas sah Kid an. »Ich bin so müde.« Unterhalb eines Augens rann Wasser über seine Wange. Zwinkernd wandte sich Glas wieder dem Morgen zu.
    Kid überliefen Schauer. Wieder und wieder. Ich traue dieser Reaktion nicht, dachte er, und ihm fiel die letzte Nachtshow im Fernsehen ein, wo ihm die tränenreiche Erkenntnis der zarten Heldin über ihre knospende Liebe die gleichen verschafft hatte. Das läuft nur so, weil neben mir ein Nigger steht, der fast heult, und an der Tür steht noch eine, die so ängstlich und verwirrt aussieht, daß ich fast . . . Nein, es ist nicht das Licht. Nein.
    Doch die Schauder kamen wieder, fransten seine Haut aus, bis sogar seine Gedanken ins Stottern gerieten. Schauder rauhten seine Wirbelsäule auf. Seine Handflächen summten. Er öffnete Mund und Augen und Finger weit vor dem rötlichen, sich ausbreitenden Morgen.



    5

    Sonntag, der 1. April, 1776 - Es gibt Gründe, dies auf Seite zwei zu erwähnen und dem Phänomen nicht die Schlagzeile zuzubilligen, die es so leicht für sich in Anspruch nehmen konnte. Zum einen sind wir nicht bereit, die Hysterie, der diese miasmatische Verschmutzung zugrunde liegt, durch unseren Schock noch zu verstärken.
    Wir haben es selber beobachtet.
    Doch in der Stadt, in der wir leben, bezweifelt man selbst diesen Beweis.
    Wir gingen so weit, daß wir den Gedanken verfolgten, diese Nummer nur den Berichten derer zu widmen, die es verschlafen hatten, die in Kellern oder fensterlosen Hinterzimmern beschäftigt waren oder - oh, Hoffnung - behaupteten, gestern nachmittag herumgelaufen zu sein, ohne etwas Besonderes am Himmel beobachtet zu haben.
    Doch wenn das Erscheinen von George in unseren Nächten etwas ist, wonach wir uns richten können, so müssen wir außerhalb unserer nebligen und zerfließenden Stadt suchen, um negative Zeugen zu finden. Zumindest hoffen wir dies.
    Bitte, blättern Sie auf Seite eins zurück. Die Misere des Lower-Cumberland-Gebietes in Jackson, wo offensichtlich an meinem letzten Donnerstag sämtliche Elektrizität beim Bruch der Wasserhauptleitung ausfiel (wie gefährlich das für uns alle ist, kann niemand sagen, weil niemand die Verluste durch den Dammbruch anteilmäßig an unserer schwindenden Bevölkerung ausdrücken kann), ist ein wirkliches Problem. Wichtiger, möchten wir behaupten, als die Nachricht von gestern.
    Wir haben keine Angst, zu beschreiben oder auch zu bezeichnen, was passiert ist. Vermutlich wird ein Exemplar dieses Blattes über unsere Grenzen hinausdringen; wir möchten gern unseren guten Ruf behalten. Viel lieber würden wir zu Lower Cumberland Stellung nehmen. Doch ein anderer Autor (Seite eins, Fortsetzung auf Seite sieben) hat bereits einen Augenzeugenbericht fertig. Und - in seinen Worten -: . . . besteht die Möglichkeit, daß niemand mehr dort lebt.«
    Der Bogen wurde, zu nicht genau bestimmbarer Zeit, am späten Nachmittag des trüben Tages sichtbar. In einem Spektrum, lediglich aus Grau, Schwarz und Blau bestehend, muß man diese Rot- und lila Brauntöne, diese Gold- und Bronzetöne gesehen haben, um den Effekt beurteilen zu können. Minuten später hatten sich hier die meisten im Augustgarten versammelt. Der Blick war ehrfurchtheischend. Die Spekulationen gingen in verschiedene Richtungen, bevor Ehrfurcht sie verstummen ließ. Als nach ungefähr