Dhalgren
schön, jemand so ausgeprägtes in der Nähe zu haben. Als ich meine alte Wohnung verlassen mußte - aber deswegen sind Sie nicht hergekommen. Sie hätten uns beim Umzug helfen sollen. Ich war zu Tode erschrocken. Eigentlich ist gar nichts passiert, aber ich mußte da raus. Lanya hat mir geholfen, diese Wohnung zu finden. Ich habe sie immer schon gemocht und . . . nun, ich schlug vor, zusammenzuziehen. Bis jetzt klappt es sehr gut. Die Schule ist nur ein paar Blocks weiter weg. Die wenigen Patienten, die ich angenommen habe . . .«
Es klingelte.
»Da kommt einer. Wissen Sie« - als sie um sie herum in den Flur ging -, »ich hatte gedacht, Sie wären er. Als ich herunterkam, um Sie hereinzulassen.« Sie wies in einen anderen Flur. »Lanyas Zimmer ist da drüben. Gehen Sie hinein und wecken Sie sie auf. Ich weiß, daß sie Sie sehen will.« Sie hörten ihren Gang, von beherrschter Eile im Flur zu einem schnelleren Galopp auf der Treppe.
Denny sagte leise: »Schön, huh?« saugte dann seine Oberlippe, wo auf rötlicher Haut helle Haare abstachen, nach innen. »Willst du ... in ihr Zimmer?«
»Yeah.«
»Okay.« Denny ging in den kleineren Korridor.
In den üppigen Deckenlampen hingen kleine Glühbirnen. Ein riesiges Gemälde (lang wie Denny, breit wie Kid lang), goldgerahmt, sah, als sie im Schatten daran vorbeigingen, völlig schwarz aus.
»Die Tür da«, sagte Denny.
Sie stand etwas offen.
»Geh rein. Geh nur rein«, sagte Kid. Denny blieb aber stehen, daher ging Kid weiter.
Warme Luft strich über sein Gesicht. Der Brandgeruch verriet hier eine Spur von Gas - vor dem gekachelten Kamin zuckte und flackerte ein Heizgerät durch den unteren Gitterrost.
Sie lag auf einer Liege unter einer rosa Decke. Vor einem
riesigen Gobelin in Lilatönen und ohne Rahmen hingen weiße und lila Pflanzenranken aus einem Dutzend Töpfen über ihr, zogen sich vor dem Bogenfenster entlang oder hingen vom Kaminsims herab.
»Mensch, ist das heiß«, sagte Denny. »Wie kann man hier nur schlafen?«
»Weiter«, sagte Kid. »Mach sie wach.«
Denny blickte ihn stirnrunzelnd an.
»Ich will zusehen«, sagte Kid.
Dennys Zunge schob für einen Moment die Unterlippe nach vorn. Er ging nach vorn -
Ihre Wange lag flach auf dem Kissen, beide nackten Schultern berührten das Laken. Die Hand neben ihrem Gesicht war am Gelenk scharf abgebogen. Eine Ferse, grau am Rand, ragte mit eingezogenen Zehen heraus.
- stellte ein Knie auf die Matratze (sie machte »uhh« drehte das Gesicht nach unten, die Ferse zog sich unter die Decke), schwang das andere rittlings über sie und fuhr ihr durchs Haar.
»Hey . . .« Ein Arm schoß hervor und wedelte. »Verdammt, laß mich . . .« Sie drehte sich auf den Rücken. »Was machst du da, huh . . . Oh, hey . . .« Der Arm kam wieder zurück und legte sich um Dennys Schenkel. »Also, Kinder, ich halte Tiefschlaf, huh? . . .«
Denny schüttelte wieder ihren Kopf. -
»Oh, laß mich . . .«
- und lachte. »Kid hat gesagt, ich soll dich wecken.«
»Huh?«
»Er wollte zusehen.«
»Mit einem Fernglas vom Dach gegenüber?«
»Er ist hier.«
»Wo?« Sie setzte sich auf und blickte über Dennys Bein. »Hey!« Dann ergoß sich ein Lächeln über ihr Gesicht und vermischte sich mit Schlaf, wie wenn man Milch in Wasser gießt, während sich ihre Augen zu Jade klärten.
»Ich habe dir was mitgebracht«, sagte Kid.
»Ihn?« Sie legte den Kopf auf Dennys Hüfte. »Ich finde ihn nett. Er ist großartig, und es ist sehr süß von dir. Aber ich bin unheimlich müde.«
»Nicht das.« Kid zog die Bücher heraus. »Das hier.« Er setzte sich auf das Bett.
Ihr T-Shirt war an der Seite aufgerissen, und er konnte die Stelle sehen, wo ihre Brüste anfingen und die Brustwarze unter dem Stoff. (Er dachte über den Unterschied zwischen den beiden Farben nach, doch selbst ihm fiel nur das Wort »weiß« dazu ein.)
»Was denn -?« Dann ließ sie Denny los, der sich hinsetzte und das Bett zum Zittern brachte. »Oh!« Sie nahm sie lächelnd im Empfang.
»Was ist denn das überhaupt?« fragte Denny.
»Kids Gedichte«, sagte Lanya.
»Ich glaube, eins ist für dich.«
»Yeah?« fragte Denny. »Warum hast du es mir nicht schon vorher gegeben?«
Lanya gab Denny das Buch und öffnete ihr Exemplar. »Es sieht aber wirklich gut aus . . . Auf diesem hast du, glaube ich, eine Zeitlang gesessen, oder?«
»Du bist nicht mehr wütend auf mich?« fragte Kid.
»War ich das?«
»Manchmal glaube ich, du bist komischer als ich.«
»Die
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