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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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Naht über weißer Haut abgerissen. Über den Fersenkappen seiner Schuhe rollten sich die Socken (Löcher in beiden Sohlen) von den knorpligen, schwieligen Knöcheln. Messingzähne zogen sich in Berg- und Talfahrt über den Schoß und unter dem Gürtel hin - die Gürtelschnalle war gesprungen: Er hatte die Enden zusammengebunden. »Gibst du mir ein Bier aus?« fragte er. »Am ersten Abend, als ich hier angekommen war, habe ich deiner Freundin und dir ein Bier gebracht.«
    »Bestell dir, was du willst«, antwortete ich.
    Der Barkeeper blickte herüber, schob einen hochgerollten Ärmel höher; unter seinem dicken Fingern stolzierte der Leopard in den Dschungel seines Arms.
    »Ich würde mir ja selber eins bestellen«, sagte Jack. »Aber weißt du, ich bin ziemlich kaputt. Gib mir einen aus, und ich geb' dir einen aus, sobald ich wieder auf den Beinen bin.«
    Ich sagte zu dem Barkeeper: »Warum bedienst du ihn nicht?«
    Der Barmann stemmte die Knöchel auf die Theke und schwankte. »Er braucht bloß zu sagen, was er will.« Er sah sich nach seinen anderen Kunden um.
    »Gib uns ein paar Bier«, sagte ich.
    »Sofort.« Die offenen Flaschen knallten auf die Planken vor uns.
    »Hier.«Ich nahm einen Schluck von meinem.
    Jack hielt seine Flasche zwischen den Daumen. Er sah sie an, und bewegte die Finger etwas nach links.
    Was er getan hatte war, die Zwischenräume anzupassen, so daß die Flasche sich in der Mitte zwischen den Händen befand.
    Der Barkeeper blickte wieder herüber, kräuselte die Lippen - ungefähr so, als wolle er gleich den Kopf schütteln - und bewegte sich, Faust neben Faust setzend, weg.
    »Man braucht hier nicht zu bezahlen«, sagte ich.
    »Wenn ich zahlen könnte«, sagte Jack, »würde ich es auch tun. Ich meine, ich bin kein Schnorrer, Mann. Ich bin wirklich großzügig, wenn ich was habe.«
    Ich überlegte einen Moment. Dann sagte ich: »Eine Sekunde.« Ich griff in die Hosentasche.
    Die Dollarnote, wie ein feuchter Klumpen, kam zwischen meinem dritten und vierten Finger herauf. Sie war so zerknittert, daß ich zuerst dachte, ich hätte ein verknülltes Stück Papier gefunden (ein weggeworfenes Gedicht?). Ich breitete sie auf der Theke aus. Eine Ecke war durch Schweiß und Reibung bis zum >l< weggebröselt
    Während Jack sie betrachtete, fragte ich mich, was Lanya wohl mit ihrer machte und Denny mit seiner.
    Jack hob langsam den Kopf. Seine Mundwinkel waren eingerissen und wund. »In dieser Stadt kann es einem ziemlich dreckig gehen, weißt du?«
    Seine Hände hielt er immer noch ausgebreitet. Schaum sprudelte aus dem Flaschenhals und lief über, wurde zu einer kleinen Pfütze. »Ich verstehe es einfach nicht, Mann. Begreif ich einfach nicht. Ich meine, ich habe alles gemacht, was mir nur einfiel. Aber es sieht einfach so aus, als schaffte ich es hier nicht. Seit ich hier bin« - er drehte sich zu mir um. Blasen stießen gegen seine Finger und zerplatzten -»bin ich zu allen nett gewesen! Hier gibt es doch die verschiedensten Leute. Ich meine, ich habe noch nie so verschiedene Leute wie hier getroffen. Ich war nett und habe versucht, zuzuhören und zu lernen, wie es läuft. Gelernt, mich umzusehen. Weil es hier anders ist . . . Aber ich weiß es einfach nicht.« Seine Augen wanderten über und hinter mich.
    Ich sah mich um.
    Jack blickte in Bunnys leeren Käfig. Der schwarze Samtvorhang an der Rückseite bewegte sich, als sei jemand daran vorbeigegangen. »Zum Beispiel dieser große Nigger, dessen Bild überall hängt und dem der Schwanz lang heraushängt. Ich verstehe das einfach nicht. Ich meine, ich habe nichts dagegen. Aber, Mann, wenn sie schon solchen Scheiß machen, warum hängen sie nicht auch irgendeine Möse auf? Wenn sie das eine machen, meinst du nicht auch, sollten sie nicht auch das andere tun?«
    »Klar«, sagte ich.
    »Ich meine, jemand wie ich, oder du - du hast eine Freundin - ist doch an anderen Sachen interessiert, huh? Als ich zuerst hierherkam, wußte ich, daß alles nicht so wie woanders ist. Ich war richtig nett zu den Leuten. Und die Leute waren auch zu mir nett. Tak? Der Typ, den ich mit dir zusammen hier getroffen habe? Er ist ganz in Ordnung. Als ich bei ihm wohnte, habe ich auch versucht, nett zu ihm zu sein. Er will an meinem Schwanz lutschen. Ich sagte: »Mach nur, lutsch an meinem verdammten Schwanz. Und, Mann, so was hatte ich noch nie vorher gemacht! . . . Ich meine, nicht ernsthaft, so wie er, weißt du? Jetzt habe ich es gemacht. Bin nicht traurig darum. Hab' auch

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