DHAMPIR - Blutsverrat
Reisegefährten suchte.
In der vergangenen Nacht waren sie an einigen Hütten abseits der Straße vorbeigekommen. Vermutlich hoffte Chane, dort ein Opfer zu finden.
Es war schon ärgerlich genug, dass sich Magiere immer wieder vom Weg abbringen ließ – jetzt kamen noch die jüngsten Veränderungen bei Chane hinzu. Seit seiner Rückkehr vom zweiten Tod zeigte er große Brutalität bei der Suche nach Nahrung. Er wählte Frauen mit tiefschwarzem Haar und besonders heller Haut, was deutlich auf Magiere hinwies. Die meiste Zeit über war er still und in sich zurückgezogen. Nicht ein Mal hatte er von der Gilde der Weisen gesprochen, und er führte sein Tagebuch nicht weiter, aber er zeigte auch keine Euphorie mehr, wenn er jemanden getötet hatte. Er wurde immer gleichgültiger, und Welstiel vermisste bei ihm den Einfallsreichtum, den er zuvor so sehr zu schätzen gewusst hatte.
Und Chane fragte sich noch immer, wie es ihm möglich gewesen war, aus dem zweiten Grab zu steigen.
Soll er sich weiter darüber wundern.
Chanes Mischung aus Neid und Ehrfurcht erlaubte es Welstiel, den großen Untoten weiterhin unter Kontrolle zu halten. Eigentlich war es gar nicht schwer gewesen, Chane von den Toten zurückzuholen, auch wenn Welstiel zunächst unsicher gewesen war, bis der Versuch seine Vermutungen bestätigte. Es hatte vor Jahren mit einem kleinen Hinweis begonnen, in jenem fernen Land, aus dem die junge Weise stammte und in dem ihre Gilde gegründet worden war. In seinen ersten Jahren als Edler Toter hatte Welstiel weite Reisen unternommen. Wie sonst hätte es ihm möglich sein sollen, Chane ein Empfehlungsschreiben für die dortige Weisengilde zu versprechen?
Jenen Hinweis zu bekommen und Wissen über die Vampirnatur zu sammel n … Es war ein gefährliches Unterfangen gewesen, das Welstiel fast seine Existenz gekostet hätte. Ein alter Vampir in Calm Seatt, der Königsstadt von Malourné, hatte keine Einwände gegen einen anderen Untoten in seinem Revier erhoben.
Pawl a’Seat t – selbst der Nachname des alten Vampirs war ein Rätsel und bot nur einen Hinweis auf die Stadt, in der er zu Hause war. Welstiel lernte das eine oder andere von ihm und erinnerte sich deutlich an die verächtlichen Worte:
Blut ist nicht das Leben. Leben ist das Leben.
Zuerst ergab es keinen Sinn, aber in den nächsten Jahren fand Welstiel mit gezielten Fragen mehr heraus. Blut als ein Element der Lebenden war ein Medium und Agens, das die Lebensenergie übertrug, die Untote brauchten. Das Medium war praktisch und leicht aufzunehmen, und damit hatte es sich. Allein die Präsenz eines Untoten zog Lebensenergie in seine Richtung, langsam und unbemerkt.
Wenn jene Energie einen höheren Untoten berührte, einen Edlen Tote n …
Wenn es jene Energie war, die den Körper heilt e …
Es hatte sich nie eine Gelegenheit ergeben, diese Theorie zu testen, bis sich Chane dummerweise auf eine Auseinandersetzung mit Magiere einließ und dabei, im wahrsten Sinne des Wortes, den Kopf verlor.
Im Gegensatz zu den vielen abergläubischen Geschichten, die sich die Lebenden erzählten, bedeutete das Köpfen eines Untoten nicht unbedingt das Ende seiner Existenz. Dadurch wurde er nur kampfunfähig und fiel in einen Zustand dunkler Ruhe, bis er genug Leben aufnehmen konnte, um sich zu heile n – oder bis die voneinander getrennten Körperteile so stark verwest waren, dass sie nicht mehr zusammenfinden konnten.
Chane war argwöhnisch, wachsam und auch voller Ehrfurcht in Bezug auf die rätselhaften Dinge, über die Welstiel Bescheid zu wissen schien. Dieses Geheimnis war nur eins von vielen, das Welstiel für sich behielt.
Er band die Pferde an einem Baum fest und machte sich zu Fuß auf den Weg. Während er durch den dunklen Wald stapfte, drückte er immer wieder Zweige beiseite und bahnte sich einen Weg durchs Unterholz. Sein Ziel waren die sechs bewohnten Hütten, an die er sich erinnerte. Als Welstiel weiter vorn durch eine Lücke im Dickicht die Ecke eines Strohdaches sah, blieb er stehen und lauschte.
Chane verstand es inzwischen recht geschickt, Opfer aus ihren Häusern zu locken. Welstiel begriff nicht ganz, warum er so etwas für notwendig hielt. Soweit er wusste, hatte Chane seit dem Verlassen von Dröwinka nicht ein einziges Mal im Innern eines Hauses Blut getrunken.
Welstiel schloss die Augen, dehnte seine Sinne in die Nacht aus und horchte. Wenn Chane sorgfältiger dabei gewesen wäre, die Leichen verschwinden zu lassen, hätte Welstiel
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