DHAMPIR - Blutsverrat
einfach auf seine Rückkehr gewartet. Aber inzwischen konnte er sich nicht mehr auf ihn verlassen. In einer Nacht hatte er südlich von Soladran eine junge schwarzhaarige Frau und ihre beiden kleinen Töchter direkt hinter der Hütte der Frau umgebracht und die Leichen an Ort und Stelle liegen lassen. Welstiel hatte einmal mehr alles in Ordnung bringen müssen.
Er hörte leise Geräusche, die aber nicht vom Wind oder einem Eichhörnchen irgendwo im Gewirr der Zweige stammten. Lautlos schlich er durch den Wald zur anderen Seite der Hütten, und die Geräusche wurden deutlicher: schweres Atmen und verzweifeltes Zappeln.
Welstiel ging um den dicken Stamm einer Fichte herum und sah Chane von der Seite.
Er hatte eine junge Frau gegen den Baum gepresst, seine Hand auf ihrem Mund. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und der Hals schien größtenteils unversehrt zu sein. Die Frau war blass und sauberer als die meisten Bäuerinnen, und ihr langes schwarzes Haar überraschte Welstiel nicht. Aus dem Augenwinkel sah sie ihn.
Neue Hoffnung vertrieb die Verzagtheit aus ihrem Gesicht. Sie verdoppelte ihre Anstrengungen, Chane von sich zu stoßen, und stieß einen gedämpften Schrei aus. Chanes Hand schloss sich noch fester um ihren Mund. Knochen brachen, und die Frau versteifte sich voller Schmerz. Ihre Finger zuckten.
Welstiel zog seine Sinne zurück und überließ es der Dunkelheit, die Szene vor ihm zu verschleiern. Voller Abscheu stand er da und wartete stumm auf das Ende.
Chane musste etwas bemerkt haben, denn er löste die Zähne vom Hals der Frau. Selbst für Welstiels normale Nachtsicht sah er aus wie ein wildes Tier. Mantel und Hemd hingen halb über die Schulter herunter, das Gesicht war voller Blut. Einige Strähnen seines langen Haars klebten an den blutverschmierten Lippen.
Welstiel war mit seiner Geduld in Hinsicht auf Chanes Leichtsinn am Ende. Er wollte vortreten und ihn zur Rede stellen, als er plötzlich in Chanes Augen sah und stehen blieb.
Es zeigte sich kaum Intelligenz oder Erkennen in ihnen, doch es fehlte auch die wilde Freude, die Chane früher empfunden hatte, wenn er das Blut eines Opfers trank. Er wirkte wie verloren und schien sich gar nicht bewusst zu sein, was er tat. Es war alles eine Angewohnheit, an der er sich festklammerte.
»Bring es zu Ende«, sagte Welstiel.
Die Worte erreichten Chane. Erneut biss er in den Hals der jungen Frau, und diesmal riss er ihn auf, trank noch mehr Blut. Dann ließ er sein Opfer achtlos fallen und sah nicht einmal hin, als es zu Boden sank.
Chane spuckte einige Fleischfetzen aus, die ihm in den Mund geraten waren, und lehnte sich an den Baum. Mit dem Handrücken wischte er sich den Mund ab und schluckte.
WelstielblickteaufdiejungeFrauhinab,dietotaufdemWaldbodenlag.ErfühltesichangewidertvonChanesBedürfnis,eineeinfacheBäuerinanzurührenundihrBlutaufzunehmen,undgleichzeitigfragteer sich noch immer nach dem Grund für Chanes mangelnde Freude.
»Hattest du vor, die Leiche auf angemessene Weise zu beseitigen?«, fragte Welstiel.
Chane antwortete nicht.
Welstiel trat näher und wollte die Leiche hochheben, zögerte dann aber und traf eine plötzliche Entscheidung. »Ich habe das satt. Abmachung oder nicht, entweder machst du dich wieder nützlich, oder wir gehen getrennte Wege. Bring dies selbst in Ordnung.«
Chane sah ihn nicht an, nickte aber nach einem Moment.
Welstiel wandte sich ab, und seine Verwirrung wuchs.
Wynn war überrascht, als Helen sie in den Laden des Schmieds führte. Leesil, Magiere und Chap folgten ihr, und alle sahen sich verwundert um. Kleine Tische, Schemel und ein alter, mit Zwirn reparierter Stuhl standen an einer einfachen steinernen Esse. Boxen, in denen sich einst Pferde befunden hatten, waren leer; nicht einmal Stroh lag in ihnen. Einige Nischen enthielten kleine Fässer und Leinensäcke.
»Wir haben weder Eisen noch andere Metalle, mit denen wir arbeiten können«, sagte Helen und warf Holz in die Esse, die als offene Feuerstelle diente. »Dies ist jetzt unser Gemeinschaftshaus. Hier könnt ihr übernachten.«
Wynn sah zu den alten Tischen und begriff, dass diese Leute nicht aufgegeben hatten. Trotz der widrigen Umstände versuchten sie, an einem gemeinschaftlichen Leben festzuhalten. Andere Frauen und Kinder kamen herein. Besucher waren ungewöhnlich, und die Dorfbewohner begegneten ihnen trotz aller Vorsicht mit Neugier.
Magiere packte saubere Kleidung aus und schenkte der wachsenden Anzahl von Personen in der Schmiede
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