DHAMPIR - Blutsverrat
eingefasst und wies spiralförmige Schnitzmuster auf. Andere Einrichtungsgegenstände gab es im Essraum nicht.
Überall lag Staub. Magiere fragte sich, was aus den einstigen Bewohnern geworden sein mochte.
»Hat es hier so ausgesehen, als du in diesem Haus gewohnt hast?«, flüsterte sie.
Leesil strich die Kapuze zurück und trat durch den Torbogen. »Das Gebäude selbst ist noch das gleiche wie damals, aber sonst ist alles anders.«
Er klang zu ruhig. Magiere dachte daran, dass er den größten Teil seiner Zeit in dieser Stadt unter einer Kapuze oder sonst irgendwie getarnt verbracht hatte. Er sah jetzt seltsam aus mit seinem langen weißblonden Haar unter einem Schal, und sein langes, schmales Gesicht wirkte fast teilnahmslos.
Ein geflochtener Läufer lag in der Mitte des vorderen Zimmers auf dem hölzernen Boden. Am Fenster stand ein Diwan, der Lederbezug war mit Messingnägeln am Rahmen aus Nussbaumholz befestigt. Nicht weit davon entfernt lag der von Wynn erwähnte Helm. Ein runder Schild hing über dem kleinen, leeren Kamin an der Wand. Abgesehen von diesen Überbleibseln war der Raum leer. Doch wer auch immer einst ausgezogen wa r – er hatte nicht alle seine Besitztümer mitgenommen.
Leesil ging zu einem kleineren Torbogen, und dahinter sah Magiere die massive Tür des Vordereingangs. Hinter dem Bogen wandte er sich zur Seite, von der Tür weg, und verschwand. Magiere eilte ihm nach und fand die Treppe nach oben; Leesil stand bereits auf dem ersten Absatz. Sie versuchte, leise zu sein, während sie eine Stufe nach der anderen hinter sich brachte. Oben hielt sie im Flur an und blickte durch eine offen stehende Tür.
Das Zimmer dahinter enthielt ein großes Himmelbett mit einer dicken Daunendecke. Hinzu kamen eine Kommode, ein großer Spiegel in einem Silberrahmen und eine Truhe am Fußende des Bette s – die Einrichtung dieses Raumes schien vollständig zu sein.
Alles deutete darauf hin, dass die letzten Bewohner des Hauses in aller Eile aufgebrochen waren.
Magiere merkte, dass Leesil dem Inhalt des Schlafzimmers gar keine Beachtung schenkte. Er sah zur Rückwand, und sie folgte seinem Blick.
Dort stand eine Fensterbank mit weichen burgunderroten Kissen, und die schweren cremefarbenen Vorhänge waren beiseitegezogen. Durch das Glas sah Magiere nur den fernen Wald auf der anderen Seite des Sees. Sie wusste nicht, warum Leesil wie wartend dastand. Schließlich senkte er den Blick mit einem leisen Seufzen und wandte sich wieder der Treppe zu.
Anstatt ums Geländer herumzugehen, kletterte er darauf und streckte die Arme zur Flurdecke hoch.
»Was machst du da?«, fragte Magiere leise.
Eine Öllampe hing an der Decke des Flurs, und mithilfe einer Schnur an der Seitenwand konnte sie herabgelassen werden. Leesil griff nach der Stelle, wo die Schnur durch einen Eisenring führte. Er drehte ihn, löste die Halterung und reichte Eisenring und Lampe Magiere; dann griff er in das Loch dahinter.
Sein Gesicht veränderte sich, zeigte erst Erleichterung und dann Enttäuschung. Magiere setzte die Lampe auf den Boden und trat näher, konnte aber selbst dann nicht in das Loch sehen, als Leesil die Hand wegzog.
»Keine Nachricht«, sagte er. »Aber der darin versteckte Geldbeutel ist nicht mehr da. Und niemand scheint hier gesucht zu haben.«
»Was?«, fragte Magiere. »Ich verstehe nicht.«
Leesil kam wieder vom Geländer herunter. »Mein Vater hat dort Geld versteckt, für den Notfal l … wenn eine plötzliche Flucht nötig werden sollte. Meine Mutter und ich wussten ebenfalls davon.«
»Dann ist dies ein gutes Zeichen. Deine Eltern nahmen das Geld und flohen.«
»Es sollte auch eine Nachricht hinterlassen werden, falls jemand zurückkehrte. Ich dacht e … «
»Du hast gedacht, du würdest vielleicht einen Brief aus der Vergangenheit finden?«, fragte Magiere. »Leesil, deine Eltern wussten, dass du geflohen bist. Wenn sie zusammen aufbrachen, gab es keinen Grund für sie, eine Nachricht zu hinterlassen.«
Das tröstete Leesil kaum. Mit geschlossenen Augen ließ er den Kopf hängen. So sehr er während der letzten Tage und Nächte auch Distanz gewahrt hatte, jetzt trat Magiere an ihn heran und strich ihm mit der Hand über Schulter und Arm.
»Erinnerst du dich an die Sackgassen, in die wir bei der Suche nach meiner Vergangenheit geraten sind? Du weißt wenigstens, dass deine Eltern das Geld nahmen und gemeinsam zu entkommen versuchten.«
Er sah sie an und nickte schließlich.
»Wir müssen gehen«,
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