DHAMPIR - Blutsverrat
anhalten.«
»Na bitte«, brummte Magiere.
»Warum denkst du in den unmöglichsten Momenten ans Essen?«, fuhr Wynn den Hund an.
Chap jaulte erneut und leckte sich die Schnauze.
Wynn wurde wieder ernst und beugte sich zu Leesil. »Müssen wir noch meh r … von dem erwarten, was wir draußen an der Stadtmauer gesehen haben?«
»Nur an den Wällen der Festung«, sagte Leesil. »Wenn vor kurzer Zeit wichtige Personen vor Gericht gestellt, verurteilt und hingerichtet worden sind.«
»Vor Gericht gestellt?«, fragte Magiere.
»Sozusagen«, antwortete Leesil. »In der Stadt herumliegende Leichen wären eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit. Darmouth warnt gern alle Besucher, aber er würde es nicht riskieren, dass hier Krankheiten ausbrechen. Seid vorsichtig: Die Soldaten haben in Venjètz weitgehend freie Hand. Niemand stellt ihre Entscheidungen infrage, auch wenn es dabei um Mord geht.«
Wynn sank zurück. Es war Nachmittag und die Luft noch immer so kalt, dass der Atem kondensierte; sie atmete schnell und flach.
»Fahr in Richtung Festung, zum Ufer des Sees«, sagte Leesil zu Magiere und winkte nach vorn. »Dort wohnen jene, die Darmouths besonderes Wohlwollen genieße n – damit er sie die ganze Zeit über im Auge behalten kann.«
Magiere schnalzte wieder mit der Zunge, und Taff und Teufelchen zogen den Karren in eine Nebenstraße, wobei Magiere darauf achtete, dass sie den Fußgängern nicht zu nahe kamen. Sie hatte nicht an die Möglichkeit gedacht, dass Leesil in der Nähe einer Feste aufgewachsen war, wie sie in Chemestúk. Aus irgendeinem Grund hatte sie sich ihn am Rand eines Waldes vorgestellt, obwohl sie nie darauf zu sprechen gekommen waren. Es ergab durchaus einen Sinn, dass er ständig in Reichweite seines Herrn und Gebieters gewesen war.
Sie kamen an Wohnhäusern und Läden vorbei, schlängelten sich durch einen offenen Markt, auf dem Händler ihre Waren anpriesen. Dort roch es nach Fleischpasteten und Würsten, und Chap jaulte kummervoll, aber niemand achtete auf ihn.
Wynnatmetetiefdurch,alssieeinebreitePflasterstraßeerreichten,dieumdenSeeherumführte.WasMagieresah,ließsiedieStirnrunzeln.
Ein großes Wachhaus stand vor einer über den See führenden Brücke. Man musste auch noch zwei weitere hohe Torbögen passieren, um die aus dem Wasser ragende Festung mit den vier Türmen zu erreichen. Sie ließ sich nicht mit dem Schloss von Bela vergleichen, auch nicht mit der Burg des Großfürsten von Dröwinka, aber sie wirkte durchaus eindrucksvoll. Die Brücke war breit genug für einen Wagen. Sie endete am Fallgatter der Feste, und dort konnte man über eine herabgelassene Zugbrücke ins Innere der Feste gelangen.
Soldaten patrouillierten auf der Brücke, ebenso auf dem Dach des Wachhauses und den beiden Torbögen. Es waren auch einige auf der Pflasterstraße unterwegs, aber niemand von ihnen schenkte dem Karren mehr als nur beiläufige Beachtung.
»Jetzt nach links«, sagte Leesil und deutete mit dem Finger in die entsprechende Richtung. »Das fünfte Haus. Aber halt erst an, wenn ich es dir sage.«
Magiere zog die Zügel nach links, und die Hufe der beiden Pferde klapperten über die Pflasterstraße.
Direkt beim Wachhaus gab es keine Gebäude, aber in einiger Entfernung drängten sie sich am Seeufer, unterschiedlich hoch und mal aus Stein, mal aus Holz. Es waren nicht die luxuriösen Häuser von Belas Elite, aber weitaus besser als Tante Biejas Hütte, in der Magiere als Kind gewohnt hatte. Das galt auch für das fünfte Haus.
Ein Fundamentsockel aus grauem Stein reichte bis zu den Fenstern im Erdgeschoss. Die Holzwände waren glatt, und weiß gestrichene Läden säumten die verglasten Fenster. Am Ende des gepflasterten Wegs zum Eingang säumten Rosenstöcke im Winterschlaf eine große Eichentür.
Magiere gaffte.
»Ist es nicht das, was du erwartet hast?«, fragte Leesil leise.
Sie antwortete nicht und ließ die Pferde weitergehen, am Haus vorbei. Nein, es war ganz und gar nicht das, was sich Magiere unter Leesils Zuhause in den Kriegsländern vorgestellt hatte.
»Was jetzt?«, fragte sie.
»Bieg in die nächste Nebenstraße ein.« Leesil drehte sich zu Wynn um. »Nimm einige Birnen und geh zur Vordertür. Klopf an und stell fest, ob jemand daheim ist.«
»Abe r … « Die junge Weise sah nervös zum Haus. »Und wenn jemand aufmacht?«
»Deshalb sollst du die Birnen mitnehmen«, sagte Leesil. »Biete sie für einen Silbergroschen an, wenn jemand die Tür öffnet, und nimm
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