DHAMPIR - Blutsverrat
sehr wichtig gewesen.
»Nein«, sagte er.
Enttäuschung huschte durch Welstiels Gesicht. Er legte die Gegenstände auf Chanes Bett. »Es könnte einige Stunden dauern. Verlass das Zimmer nicht.«
Die Vorstellung, in diesem schäbigen Gasthof auf und ab zu gehen und zu warten, erschien Chane fast unerträglich. Er nickte, woraufhin Welstiel die Handschuhe anzog und ging.
Chane stand allein in der Mitte des Zimmers. Einst war er sehr nachdenklich gewesen, aber jetzt hasste er es, Zeit zum Nachdenken zu haben. Seine Gedanken kehrten immer wieder zum gleichen Moment zurück.
Zum Kampf gegen Magiere im feuchten dröwinkanischen Wald. Er stand über ihr, das Schwert in beiden Händen, dazu bereit, es ihr in die Brust zu stoßen. Wynn lief zu ihm, schirmte Magiere mit ihrem eigenen Körper ab und flehte ihn an, Magiere nicht zu töten. Und er ließ das Schwert sinken.
Magiere stand auf, holte mit ihrem Falchion aus und schlug zu. Die Klinge traf seinen Hals und brannte. Plötzlich wurde es dunkel für ihn, und jene Finsternis brachte Schrecken.
Als er wieder zu sich kam, lag er in einem flachen offenen Grab, von Leichen bedeckt. Blut war aus ihren aufgeschnittenen Kehlen geströmt und hatte nicht nur seine Kleidung durchtränkt, sondern auch den Körper. Er existierte wieder, aber Furcht erfüllte ihn. Der Schmerz in seinem Hals war noch immer so stark, dass er kaum etwas anderes spürte.
Welstiels Stimme erklang in der Nähe. »Bist du wach?«
Welstiel hatte Chane aus dem Tod zurückgeholt, doch er war ein anderer Chane geworden. Zu viel von ihm lag noch immer in dem flachen Grab. Und er konnte sich nicht einmal daran erinnern, dass Wynn um ihn getrauert hatte.
Chane streckte die Hand aus, betastete einen der Federkiele, die Welstiel aufs Bett gelegt hatte, und fragte sich erneut, wo Wynn wohl sein mochte.
Darmouth betrat den Ratssaal in Begleitung von Faris, der einige Schritte hinter ihm blieb, zwischen zwei von Omastas Männern. Viele dringende Angelegenheiten erforderten Darmouths Aufmerksamkeit, und jetzt hatte Emêl ihn auch noch darum gebeten, einem Fremden eine Audienz zu gewähren. Der Baron war der letzte seiner Vertrauten und bat nur selten um etwas. Es wäre unbedacht gewesen, sein Anliegen einfach abzulehnen, und außerdem war Hedí in die Sache verwickelt. Das genügte Darmouth, seine Zustimmung zu geben.
Flammen leckten aus den Kohlepfannen an den Wänden, und auf dem Tisch brannten dicke Kerzen. Zwei schwere Tapisserien hingen an der Rückwand. Eine zeigte das Familienwappen der Darmouths und die andere einen einsamen, gesichtslosen Reiter auf einem sich aufbäumenden Pferd; der Hintergrund war dunkel. Darmouth hatte kaum etwas für Kunst übrig, aber der Reiter faszinierte ihn aus irgendeinem Grund.
Emêl wartete mit einem blassen Mann, der eine Strickmütze trug. Darmouth verschränkte die dicken Arme und musterte den Fremden.
»Darf ich vorstellen? Viscount Andraso«, sagte Emêl förmlich.
Darmouth bot dem Fremden nicht die Hand zum Gruß und verzichtete auch auf ein Nicken. Andraso schien um die vierzig zu sein, war mittelgroß und von durchschnittlicher Statur. Seine Augen fand Darmouth seltsam. Sie waren fast farblos, wie wertloser Quarz, und ein kleiner Höcker verbreiterte den Nasenrücken. Ein knielanger Umhang verbarg die Kleidung, aber das war kein Problem, denn Omastas Männer hatten ihn zweifellos durchsucht und eventuelle Waffen entfernt.
»Warum seid Ihr hier?«, fragte Darmouth geradeheraus.
»Gestern Abend wurde Lady Progae überfallen«, sagte Emêl. »Von einem Mann mit sonderbaren Zähnen. Er biss sie in den Hals, aber es geht ihr gut. Wir müssen jenes Geschöpf finden, und der Viscount glaubt, dass er dabei helfen kann.«
»Der Mann biss sie in den Hals?«, wiederholte Darmouth verwirrt, und er mochte es nicht, verwirrt zu sein.
Viscount Andraso hob eine Hand, die in einem ledernen Handschuh steckte. »Baron Milea ist noch immer bestürzt angesichts der Ereignisse des vergangenen Abends. Ich versichere Euch, dass es Lady Progae gut geht. Sie wurde nur leicht verletzt und sofort behandelt. Die Männer des Barons griffen schnell ein und haben Schlimmeres verhütet. Was den Angreifer betriff t … Er war nicht nur ein Mann mit sonderbaren Zähnen, sondern ein Vampir.«
Andraso sprach mit deutlichem Akzent, und Darmouth vergaß seine Verwirrung. Ausländern misstraute er fast ebenso sehr wie seinen eigenen Adligen. »Ihr seid fremd hier. Woher kommt Ihr, und was führt
Weitere Kostenlose Bücher