DHAMPIR - Blutsverrat
dem Kauf von Vorräten, und sie fand auch kein Interesse mehr daran, sich Venjètz und die Bewohner der Stadt anzusehen. Stattdessen dachte sie darüber nach, wie sie mehr über das dichte Netz erfahren konnte, das Byrd um sich herum gesponnen hatte.
Als Chane an diesem Abend erwachte, hörte er, wie Welstiel erneut im Schlaf murmelte. Er setzte sich auf und schwang die Beine über den Rand des Bettes. Sein Rotkehlchen trank aus einer kleinen Blechtasse auf dem Käfigbode n – der Käfig stand sicher auf dem kleinen Tisch des Zimmers.
Die Efeurebe war in jeder Hinsicht weit von der Bronzenen Glocke entfernt, obwohl letzteres Gasthaus zwar als bestes in Venjètz galt, aber kaum den Ansprüchen des Mittelstands in Bela gerecht geworden wäre. Welstiel hatte das einzige Zimmer mit zwei Betten gemietet. Es kostete nicht viel, war aber auch alles andere als luxuriö s – der Wasserkrug war angeschlagen, und die Waschschüssel stand auf einem wackligen Tisch.
Chane kümmerte das nicht. Diese Unterkunft war immer noch besser als ihr improvisiertes Zelt im Freien. Er fragte sich, wo Wynn an diesem Abend war, was sie machte und ob sie sich in Sicherheit befand. Welstiel murmelte erneut, und Chane trat näher, sah auf seinen selbstgerechten Reisegefährten hinab.
»I m … hohe n … Eis«, flüsterte Welstiel. »Kuge l … nie wiede r … Blut trinken.«
Chanes Groll schwand. Zum ersten Mal seit der zweiten Rückkehr von den Toten fühlte er etwas anderes als nur Zorn, Blutdurst oder Schatten von Furcht. Neugier regte sich in ihm.
Während ihrer Reisen hatte er immer wieder das eine oder andere gehört, wenn Welstiel leise im Schlaf sprach. Etwas half Welstiel bei der Suche, wonach auch immer, und Magiere schien dabei irgendeine Rolle zu spielen. Nie wieder Blut trinken? Suchte Welstiel etwas, das für einen Edlen Toten bestimmt war? Eine »Kugel«, die ihm Kraft gab und ihn von der Notwendigkeit befreite, auf die Jagd zu gehen?
Chane ging in die Hocke und blickte in Welstiels Gesicht. Wäre das wünschenswert? Nie wieder Blut trinken zu müssen?
Welstiel drehte sich und öffnete die Augen.
Chane wich zu seinem Bett zurück und griff nach seiner Kleidung. Welstiel setzte sich auf.
»Was jetzt?«, fragte Chane, als wäre in der vergangenen Nacht überhaupt nichts geschehen und als stünde ihnen eine weitere monotone Nacht bevor, in der es nur darum ging, Magiere zu folgen.
»Du machst zunächst einmal gar nichts«, erwiderte Welstiel und rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. »Ich habe eine Audienz bei Lord Darmouth. Wenn alles gut geht, kannst du aufbrechen und in der Stadt anstellen, was du willst. Das wird Magiere auf den Plan rufen und mir vielleicht Gelegenheit geben, diese dumme Suche nach der Vergangenheit des Halbelfen zu beenden.« Er sah Chane an und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Wir müssen dein Erscheinungsbild verändern, um zu verhindern, dass du wiedererkannt wirst. Oh, und ich habe es für besser gehalten, mir einen falschen Namen zu gebe n – ich habe den deiner Familie benutzt. Vergiss das nicht.«
In Chane verkrampfte sich etwas. »Du hast Andraso als deinen Nachnamen genannt?«
»Ja. Ist das ein Problem? Hat deine kleine junge Weise jemals diesen Namen gehört?«
»Nein. Nicht, dass ich wüsste.«
Chane wusste, wie wichtig es war, dass ihre wahre Identität geheim blieb. Er fragte sich, warum es ihn so sehr traf, dass Welstiel seinen Namen verwendet hatte.
Welstiel griff in seinen Rucksack und holte eine schwarze Strickmütze hervor. Als er sie aufsetzte, verschwanden die weißen Stellen an den Schläfen darunter. Er streifte den Umhang über und knöpfte ihn am Hals zusammen, sah dann Chane an und griff erneut in seinen Rucksack.
»Ich habe etwas für dich gekauft«, sagte er, und zum Vorschein kamen ein Pergament, ein kleines Tintenfass und zwei neue Federkiele. »Du kannst dieses Land und seine Bewohner dokumentieren, denn ich bin ziemlich sicher, dass noch nicht viel darüber geschrieben wurde. Die Weisengilde könnte sehr an solchen Informationen interessiert sein, falls du noch immer daran denkst, dich bei ihr niederzulassen.«
Chane starrte auf das Pergament in Welstiels Händen. Er streckte nicht die Hand danach aus. Erstens überraschte ihn diese für Welstiel völlig untypische Geste ihm gegenüber, und zweitens stellte er verblüfft fest, dass ihm nicht der Sinn danach stand, auch nur ein einziges Wort zu schreiben. Einst waren ihm solche intellektuellen Tätigkeiten
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