Dhampir - Götterjagd
bloßen Händen schaufelte er ihn beiseite. Dann trat er nach draußen, in eine stille, dunkle Welt, die eine neue weiße Decke trug.
Der Schneesturm war weitergezogen. Hkuan’duv war an Dänvârfijs Seite eingeschlafe n – aus dem Tag war Nacht geworden.
Als Hkuan’duv ins Zelt schaute, hatte sich Dänvârfij aufgesetzt. In ihren großen Augen zeigte sich die Sorge, die auch er empfand.
»Bleib hier!«, befahl er und eilte durch die Nacht.
Er erreichte eine Stelle, von der aus er das andere Lager sehen konnte, und wusste sofort, dass es zu spät wa r – es kam kein Licht durch die Plane. Er näherte sich schnell, ohne zu versuchen, im Verborgenen zu bleiben. Warum hatten sie die Plane zurückgelassen?
Hkuan’duv trat in die kleine Höhle.
Kurhkâge und A’harhk’nis lagen dort, die Hände auf der Brust. Mehr brauchte Hkuan’duv nicht zu sehen.
Sgäilsheilleache hatte das Todesritual für die gefallenen Kastenbrüder durchgeführt.
Zumindest ihre Seelen, wenn nicht ihre Körper, würden zu den Ahnen zurückkehren. Ohne eine Möglichkeit, die Leichen nach Hause zu schaffen, hätten sie eigentlich verbrannt und die Asche heimgebracht werden sollen. Aber dazu war Sgäilsheilleache wohl nicht in der Lage gewesen, und deshalb hatte er sich auf das Ritual beschränkt.
Hkuan’duv verließ die kleine Höhle und blickte über den weiten Hang, konnte aber nirgends Spuren im frisch gefallenen Schnee entdecken. Vermutlich war Magieres Gruppe aufgebrochen, als der Sturm nachgelassen hatte, und der Neuschnee hatte ihre Spuren zugedeckt. Hkuan’duv eilte zu seinem eigenen Lager zurück, wo Dänvârfij bereits damit beschäftigt war, ihre Sachen zusammenzupacken.
»Ich habe ihre Spur verloren«, sagte er und ging neben ihr in die Hocke.
Ihr Gesicht war noch immer hohlwangig und bleich. Sie hatte die Kapuze zurückgeschlagen, und das Haar fiel ihr auf die Schultern.
»Wenn sie das Artefakt nach Belaski bringen wollen«, sagte sie, »werden sie die Berge überqueren und versuchen, die westliche Küste zu erreichen. Selbst wenn wir ihnen hier im Gebirge nicht folgen könne n … Bestimmt finden wir ihre Spur, wenn sie die Berge verlassen. Ihr Weg führt zum Immermoor, und das Sumpfland kenne ich gut.«
Die Unruhe wich aus Hkuan’duv, als er diese Worte hörte.
»Natürlich«, erwiderte er. »Wir verlieren nur etwas Zeit.«
23
Magiere wusste gar nicht mehr, wie viele Tage und Nächte vergangen waren, während ihre Vorräte immer mehr schwanden. Als sie die westliche Seite des Gebirges erreichten, verbrachte Chap fast die Hälfte jedes Tages damit, zusammen mit Sgäile und Osha zu jagen. Gebratene Mäuse und Eichhörnchen wurden zu neuen Höhepunkten ihrer dürftigen Mahlzeiten. Doch als in den Vorbergen die Luft wärmer wurde und der Schnee in Regen überging, fühlten sie sich von Tag zu Tag besser.
Erstes grünes Gras erschien am Rand schlammiger Wege, und dann begrüßte sie der Frühling, als sie auf einer Anhöhe standen und übers Immermoor sahen.
Das Sumpfland erstreckte sich weit nach Westen. Magiere begann sofort mit dem Abstieg und ging mit langen Schritten voraus, bis Wynn einen Stiefel im tiefen Schlamm verlor. Daraufhin blieb sie stehen und beobachtete, wie Leesil den Stiefel aus dem Morast holte, während die junge Weise auf einem Bein balancierte. Nach diesem Zwischenfall gingen alle vorsichtiger.
Nach einer Weile hörte der Regen auf, aber die von den Bäumen tropfende Nässe verhinderte, dass sie trocken wurden. Wenigstens war es nicht mehr kalt.
»Wenn es nicht so nass wäre, würde ich meinen Mantel ablegen«, scherzte Wynn.
Es freute Magiere, die junge Weise in besserer Stimmung zu sehen. Der Weg hinab war sehr anstrengend für sie gewesen. Einmal hatte sie so erschöpft gewirkt, dass Sgäile vorgeschlagen hatte, sie auf seinem Rücken zu tragen. Wynn wollte nichts davon wissen, aber Osha nahm ihr das schwere Bündel mit den Büchern ab und schlang es sich um die Schulter.
Seit der Durchführung des Todesrituals in der kleinen Höhle hatte sich Sgäile verändert. Er hätte die Leichen der Anmaglâhk lieber verbrannt, um ihre Asche nach Hause zu bringen, aber Magiere spürte, dass ihn etwas anderes belastete. Wenn sich Gelegenheit bot, achtete er darauf, ihre Spuren zu verwischen, und immer wieder warf er besorgte Blicke über die Schulter.
Magiere fragte ihn nach dem Grund für sein sonderbares Verhalten, doch er meinte nur, sie läse zu viel aus seiner Wachsamkeit heraus.
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