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Dhampir - Götterjagd

Dhampir - Götterjagd

Titel: Dhampir - Götterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barb & J.C. Hendee
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Wynns Lächeln aufrichtig. »Hat dich noch nie jemand danach gefragt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Wirklich nie?« Wynn beugte sich überrascht vor. »Ja, ich möchte etwas über dein Leben erfahren.«
    Osha schwieg eine Zeit lang und schien seine Gedanken zu sammeln.
    »Ich bin ein Âlachben«, begann er und fügte die belaskische Übersetzung hinzu: »Der Felsenberge-Clan. Jener Ort ist ganz anders als Crijheäiche oder Ghoivne Ajhâjhe. Die Angehörigen meines Clans führen ein sehr einfaches Leben, hüten Ziegen in den Vorbergen und scheren ihr Fell.«
    »Und machen sie Mäntel aus den Häuten?«
    »Ja«, bestätigte Osha und zögerte kurz. »Meinem Vater ging es nicht gut. Er hatte Probleme mit dem Herzen.« Osha legte sich die Hand auf die Brust, und sein Blick ging ins Leere. »Unsere Heiler waren machtlos, und er starb jung, mit nur dreiundsechzig Jahren. Meine Mutter verlor sich in ihrer Trauer.«
    »Das tut mir leid«, sagte Wynn. »Du musst sehr einsam gewesen sein.«
    Osha sah sie an, und das Licht des Kaltlampen-Kristalls spiegelte sich in seinen bernsteinfarbenen Augen wider.
    »Nein, ich habe drei Geschwister; mein Bruder und meine Schwestern kümmerten sich um die Herden. Aber ich war viel jünger als die anderen. Selbst meine Schwester Chionntaj, die mir an Jahren am nächsten war, sah in mir nur eine weitere Pflicht unter vielen.«
    Er senkte den Blick zur Mahlzeit zwischen ihnen, die sie noch nicht angerührt hatten. Wynn begriff, dass seine Kindheit recht einsam gewesen war. Vielleicht hatte er damals kaum eigene Verantwortung tragen müssen, was seinen Mangel an Selbstbewusstsein und das Ungeschick bei praktischen Dingen erklärte. Sie hätte am liebsten seine Hand ergriffen.
    »Ich habe beide Elternteile verloren«, sagte sie, um ihn abzulenken. »Ich bin bei der Weisengilde in Malourné aufgewachsen.«
    Osha hob den Kopf. »Nicht in einem Clan?«
    Wynn lächelte erneut. »Nein, ein Clan in deinem Sinne war es nicht, aber ich bin damals nie allein gewesen. Die Weisen wurden zu meiner Familie, und zu einer guten. Ich hatte das Privileg, in ihrer Mitte aufzuwachsen und nicht im Waisenhaus. Ich besuchte eine der öffentlichen Schulen, die sie in der Königsstadt eingerichtet hatten, und auf dem Anwesen der Gilde geschah immer etwas Neues und Interessantes. Oder ich hörte einfach nur zu, während die Weisen eine ihrer langen Debatten führten. Sie lehrten mich Geschichte und Sprachen. Später nahm mich Domin Tilswith, ein Weiser aus dem Orden der Katalogisierer, als Lehrling bei sich auf. Mit ihm bin ich auf diesen Kontinent gereist. Ich habe in meinem Leben sehr viel Glück gehabt.«
    Wynn fühlte Sehnsucht nach ihrer Zeit bei der Gilde, nach Linsen- und Tomatensuppe, nach der liebevollen Gesellschaft anderer Gelehrter.
    »Deshalb bist du selbst ein e … ›Weise‹ geworden?«, fragte Osha. »Weil dir ihre Art des Lebens gefällt?«
    Wynn wusste nicht recht, wie sie darauf antworten sollte. »Ja, das ist einer der Gründe. Ich wollte lernen und forschen, mein Wissen mit anderen teilen.« Sie neigte den Kopf. »Was hat dich zu den Anmaglâhk geführt?«
    Der plötzliche Themawechsel überraschte Osha. Er schluckte.
    »Drei Jahreszeiten vor meinem Namensritual kamen zwei Kastenmitglieder zu meiner Enklave und brachten eine Nachricht für unsere Clanältesten. So etwas war noch nie zuvor geschehen: zwei Greismasg’äh, die Große Eillean, Léshils Großmutter, und Brot’ân’duivé. Alle begegneten ihnen mit Ehrfurcht, und so viel Respekt hatte ich noch nie gesehen. Ich brachte es kaum fertig, hinter unserem Wohnbaum hervorzuspähen. Von ganzem Herzen wünschte ich mir, eines Tages so zu sein wie sie.«
    Osha senkte wieder den Kopf und flüsterte: »Kein besonders ehrenwertes Motiv.«
    Wynn schluckte ihre Vorbehalte hinunter und ergriff seine Hand. »Zu versuchen, sich hervorzutun, insbesondere im Dienst für ander e … So etwas ist immer ehrenhaft. Deine Familie sollte stolz auf dich sein.«
    Im matten Licht des Kaltlampen-Kristalls sah Osha sie an. Seine Hand begann zu zittern, und langsam zog er sie zurück. Die langen Muskeln in den Unterarmen zeichneten sich deutlich ab. Wynn begriff plötzlich, dass sie seine Arme zum ersten Mal sah; normalerweise verbargen sie sich in den weiten Ärmeln des Umhangs.
    »Aber hättest du den gewünschten Respekt nicht auch auf andere Weise bekommen können?«, fragte sie. »Gibt es nicht noch andere Möglichkeiten, deinem Clan zu

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