Dhampir - Halbblut
Präsenz. Rashed hatte nie die Nähe eines anderen Untoten fühlen können, von Parko abgesehen, aber er versuchte es trotzdem, nahm aber nur das Hintergrundflüstern des Waldlebens wahr.
Rashed gab die Vorsicht auf, sprang ans Ufer und rief noch lauter. »Teesha!« Es war ihm gleich, wer ihn hörte.
»Sie ist fortgegangen«, ertönte eine leise, hohle Stimme.
Edwans tragische Gestalt erschien neben ihm. Zwar fehlte es Rashed nicht an Anteilnahme dem Geist gegenüber, doch es gefiel ihm nicht, mit Teeshas Ehemann zu reden. Aber jetzt war seine Sorge größer als die Abneigung.
»Wohin?«, fragte er.
»Zur Stadt, um dich zu verteidigen.« Edwan lachte höhnisch und machte keinen Hehl aus seinem Hass. Der auf der Schulter liegende Kopf verzog den Mund.
Ein Ruck ging durch Rashed. Zuerst erkannte er das Gefühl nicht, denn Erstaunen überlagerte es. Dann fühlte er Furcht.
»Warum hast du sie nicht aufgehalten?«, fragte er.
»Ich? Sie aufhalten?« Edwans durchscheinendes Gesicht war leer, aber nicht etwa wegen eines Mangels an Gefühl, sondern weil Zorn und Hass kalt wie Eis wurden. »Sie hört nur auf dich. Nur an dir liegt ihr etwas. Hat sie vielleicht getrauert, als Rattenjunge euch verließ?«
RashedschluckteeinescharfeAntworthinunterundbemitleideteEdwanplötzlich.Erbedauerte,dassCorischeeinenhilflosenWirthingerichtethatte,abersolcheEmpfindungenwarentrivialundnichtmehralsSchattenimVergleichmitdenGefühlen,dieTeeshagalten.
»Wohin in der Stadt will sie?«, fragte er so ruhig wie möglich.
Zum ersten Mal sah Rashed, wie Edwan ihm gegenüber offene Verzweiflung zeigte. Sein langes blondes Haar wehte wie in einem Wind, der nur ihn berührte, und seine Stimme bekam einen fast flehentlichen Klang.
»Hör mir zu. Die Jägerin ist keine Sterbliche. Hast du verstanden? Sie ist zur Hälfte eine Edle Tot e – die eine Hälfte von ihr gehört zu deiner Art.« Edwan stockte. »Teesha schert sich nicht um Rache. Finde sie und bring sie fort, bitte. Ich habe dich nie um etwas gebeten und auch nichts von dir erwartet, doch jetzt richte ich diese Bitte an dich.«
Rashed verschränkte verärgert die Arme.
»Edwa n … « Er versuchte, geduldig zu klingen. »Ich kann nicht. Wenn ich die Jägerin am Leben lasse, gibt es keine Sicherheit für uns.«
»Ich glaub e … ich habe mich in Bezug auf die Absichten der Jägerin geirrt!«, jammerte der Geist. »Sie nahm den Rat des Fremden entgegen, der im Keller der ›Samtrose‹ wohnt. Und jetzt spielt ihr beide das dumme Spiel der Rache. Ihr glaubt beide blind daran, dass der jeweils andere ein erbitterter Feind ist, der den Kampf sucht. Begreifst du das denn nicht? Finde Teesha und bring sie fort. Niemand wird dir folgen.«
Rashed schnallte sich das lange Schwert an den Gürtel, griff nach einer Fackel, die er in der Nacht zuvor angefertigt hatte, und winkte ab. »Verschwinde. Du bist mir keine Hilfe.«
Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, als das Erscheinungsbild des Geistes verschwamm und zu rotieren begann. Zuerst dachte Rashed, dass Edwan irgendetwas versuchte und von einer neuen Fähigkeit Gebrauch machte, die er bisher noch nicht gezeigt hatte. Aber das Wirbeln und Wogen dauerte an, und es wurde klar: Der Geist verlor sich in seinem eigenen emotionalen Gewirr aus Zorn und Hoffnungslosigkeit.
»Du bist ein Narr!«, rief Edwan.
Rashed wandte sich einfach von ihm ab und lief in den Wald, ließ das Schiff und die Werkzeuge hinter sich zurück. Unter den dunklen Bäumen um ihn herum pulsierte das Leben. Am Rande des Waldes verharrte er, schloss die Augen und konzentrierte sich. Teeshas geistige Fähigkeiten waren besser als seine, aber er verfügte über einige ausgeprägte Talente, die er nur selten benutzte. Er schickte Gedanken auf die Reise, die von der Jagd kündeten: der von Furcht bestimmte Geruch der Beute; Heißhunger, wenn sich die Jagd dem Ende entgegenneigte.
Aus weiter Ferne drang ein Geräusch an Rasheds Ohren. Es war so leise, dass es sich fast in den anderen Geräuschen der Nacht verlor.
Das Heulen eines Wolfs.
»Kinder der Jagd«, flüsterte Rashed. »Kommt herbei.«
Leesil lehnte sich an die vordere Wand des Kerzenmacherladens und sah zur Taverne auf der anderen Straßenseite. Er dachte daran, wie lange er sich noch auf den Beinen halten konnte.
Der Bäcker Karlin stand in der Nähe und sah sich immer wieder besorgt um. Leesil versuchte, seine körperliche Schwäche so gut es ging zu verbergen. Aus den Schmerzen in Brust und Rücken war eine
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