Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
ihm bringen«, sagte Reine schlicht.
Wieder war Chane nicht imstande festzustellen, ob es sich um eine Lüge handelte. Wynn trat einen Schritt vor, und seine Anspannung wuchs.
»Es ist dringend, Hoheit«, appellierte sie an die Herzogin. »Domin Hochturm hat mir versichert, Ihr würdet mir helfen.«
»Natürlich werde ich helfen«, erwiderte Reine scharf. Dann seufzte sie. »Vielleicht gibt es eine Möglichkeit.«
Der große Elf wirkte plötzlich sehr ernst. »Hoheit …«, warnte er.
»Ich weiß, Chuillyon«, antwortete sie und musterte Wynn. »Komm mit mir.«
Als sich die Herzogin umdrehte, ging Wynn los, aber Schatten blieb stehen. Sie rührte sich nicht von der Stelle und hielt den Blick starr auf den Rücken der Herzogin gerichtet. Versuchte sie, Reines Erinnerungen zu empfangen?
»Schatten?«
Die Hündin schüttelte sich, sah zu Chane hoch und tappte Wynn hinterher. Chane folgte ihr, noch immer verblüfft darüber, zu welchen Risiken Wynn bereit war.
Die Herzogin konnte sie gefangen nehmen lassen und Hochturm eine Anfrage schicken – auf diese Weise hätte sie Wynns Täuschungsmanöver schnell entlarvt. Chane wusste von Wynn, dass Herzogin Reine im Namen der Königlichen von Malourné ihren Einfluss geltend gemacht und dafür gesorgt hatte, dass allein die Premins der Gilde Zugang zu den Texten bekamen. Und ob die Steingänger mit der ganzen Sache etwas zu tun hatten, blieb nach wie vor Spekulation, aber bei zwei Dingen war Chane sicher.
Erstens: Herzogin Reine verbarg etwas. Und zweitens: Selbst wenn sie Wynn jetzt half, sie konnte es sich jederzeit anders überlegen.
Wynn atmete scharf ein, bevor sie durch die Öffnung trat. Chane richtete seine Aufmerksamkeit sofort auf das, was ihm die Augen zeigten; den Weardas, die hinter ihm den Zugang passierten, schenkte er zunächst keine Beachtung.
In der Rückwand des verborgenen Raums befand sich eine Eisentür, wie jene beim Amphitheater von Alt-Seatt. Doch diese Tür war bewacht.
Zwei in Rüstungen aus Lederplatten gekleidete Zwerge standen rechts und links davon, und beide hielten Eisenstäbe in den Händen. Sie trugen Schärpen, der erste eine rotbraune mit grünen Linien und der zweite eine pflaumenfarbene.
Chanes Ärger wuchs.
Eine geheime Tür hinter einer geheimen Öffnung in einem abgelegenen, dunklen Tunnel – und außerdem auch noch bewacht. Der einzige Unterschied bestand aus einer versenkten Eisentafel hinter dem Wächter mit der pflaumenfarbenen Schärpe.
»Wenn ich bitten darf …«, sagte die Herzogin.
Der Zwerg drehte sich um, schloss die Hand um den Griff der Tafel, zögerte und sah noch einmal zurück. Herzogin Reine wandte sich Wynn zu.
»Du wirst dich zusammen mit deinen Begleitern umdrehen und so stehen bleiben, bis ich dir Bescheid gebe.«
Wynn drehte sich um, und Chane bemerkte, wie sie enttäuscht die Stirn runzelte, bevor er sich ebenfalls umdrehte.
Sie hörten mehrfaches Kratzen, wie von fein geschliffenem Metall auf glattem Stein. Chane stellte sich vor, wie Stangen in die Wand gedrückt oder herausgezogen wurden, dachte in diesem Zusammenhang an jene, die ihm Wynn hinter der eisernen Tür des Amphitheaters beschrieben hatte. Warum, überlegte er, hatte sich das Schloss der anderen Tür auf der Innenseite befunden?
Es folgte ein lautes Knirschen, insgesamt dreimal.
Chane schüttelte den Kopf. Vermutlich wies auch dieses Portal drei verschiedene Türen auf.
Jedes neue Geräusch bestätigte, dass es unmöglich gewesen wäre, diesen Weg allein zu gehen. Er hatte der jungen Weisen gegenüber von einer Mischung aus Einschüchterung und Manipulation gesprochen, aber damit wären sie hier nicht weitergekommen; solche Tricks funktionierten nur bei Menschen, die Welstiel für einen mächtigen Adligen gehalten hatten.
Was auch immer sich hinter jener Tür befand: Die Zwerge wollten auf jeden Fall vermeiden, dass ein Unbefugter Zutritt erlangte.
»Hier entlang«, sagte der Elf.
Chane drehte sich um und stellte fest, dass das eiserne Portal offen stand. Aber dahinter öffnete sich nicht ein weiterer Raum, sondern ein breiter Tunnel, der fast sofort nach links abknickte. Die Herzogin und ihr elfischer Berater traten durch die Tür und dann nach links, gerieten außer Sicht.
Chane folgte Wynn und Schatten und sah, dass der Tunnel hinter der scharfen Kurve nach unten abfiel. Die Weardas bildeten den Abschluss, und der Hauptmann hielt noch immer sein Schwert bereit. Chane ging schneller und verkürzte den Abstand zu
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