Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
verdanken wir vor allem deinem Instinkt.«
Wynn sah ihn an und rechnete mit einem »Aber«, obwohl sie die richtige Entscheidung bereits kannte.
»Ich habe die schärferen Sinne«, fuhr Chane fort. »Ich sehe, höre und rieche mehr. Doch mir würde es schwerer fallen, der Herzogin zu folgen, weil ich hier alle überrage.«
»Na schön«, gab Wynn nach. »Aber nimm Schatten mit. Ihr Geruchssinn ist noch besser, wenn es um alte Spuren geht. Zwei können besser suchen als einer.«
Für einen Moment dachte sie, er würde widersprechen, vielleicht mit dem Hinweis, dass sie dann ungeschützt zurückbliebe. Ihr starrer Blick schien ihn eines Besseren zu belehren.
»Kannst du dafür sorgen, dass Schatten alles versteht?«, fragte Chane. »Das sie dich verlässt und mich begleitet?«
»Ich versuch’s.«
Chane ging, um seine Sachen zu packen. Wynn sank vor Schatten in die Hocke und berührte ihre Schnauze.
Sie begann mit Erinnerungen an Leesil und Chap, die gemeinsam unterwegs waren, ließ ihnen Bilder von ihren Unternehmungen in Calm Seatt und dem Kampf gegen den Wrait folgen, als sie Schatten bei Chane gelassen hatte.
Die Hündin knurrte und wollte zurückweichen. Wynn hielt sie fest.
Erneut konzentrierte sie sich auf den Raum mit dem Wasser. Es fiel ihr nicht leicht, mit einer Erinnerung aus dritter Hand zu arbeiten.
Sie rückte den halb überfluteten Tunnel hinter dem Gitter in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit.
Die Tür öffnete sich, und Chane stand voll angekleidet und bewaffnet im Flur. Er machte einen Schritt nach vorn und stellte den Zylinder mit der Schriftrolle auf den kleinen Tisch neben der Tür – er sollte in Wynns Obhut bleiben.
Wynn hob Schattens Schnauze und deutete auf Chane.
Die Hündin knurrte erneut. Diesmal wich sie nicht zurück, sondern setzte sich und senkte den Kopf.
Wynn hielt ihre Schnauze fest und versuchte es noch einmal.
»Bitte versteh«, sagte sie.
Ein Grollen kam von Schatten, verwandelte sich aber schnell in ein Jaulen. Sie sah Chane an, drehte den Kopf dann zu Wynn, löste sich aus dem Griff der jungen Weisen und tappte zur Tür und dem im Flur wartenden Chane. Wynn seufzte erleichtert.
Plötzlich änderte Schatten die Richtung und lief zum in der Zimmerecke lehnenden Stab mit dem Sonnenkristall.
Bevor Wynn reagieren konnte, richtete sich Schatten auf und stützte sich mit den Vorderpfoten an der Wand ab. Dann schnappte sie nach dem Stab, und zwar so weit oben, wie es ihr möglich war.
»Schatten?«, rief Wynn. »Was machst du da? Hör auf damit!«
Die Hündin stieß sich von der Wand ab, und als ihre Vorderpfoten wieder auf dem Boden waren, lief sie sofort zur anderen Seite des Bettes. Den Stab zog sie mit sich.
Wynn kletterte übers Bett und langte nach dem Stab. Schatten ließ ihn los und stellte beide Vorderpfoten darauf.
»Was ist nur mit dir?«, fragte Wynn und griff nach dem Stab.
Sie zerrte ihn unter Schattens Pfoten hervor und wich übers Bett zurück. Aber sie kam nicht weit, denn die Hündin schnappte erneut nach dem Schaft.
Wynn fiel aufs Bett. »Lass los!«
Schatten knurrte und zog.
Wynn rutschte mit dem Kopf voran über die Bettkante.
»Vielleicht sollte ich besser allein gehen«, sagte Chane. »Offenbar will sie dich nicht verlassen.«
Nein, das stimmte nicht. Schatten versuchte ihr etwas mitzuteilen, aber derzeit wollte Wynn es gar nicht verstehen.
»Gib mir den Stab!«, brachte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Wynn beugte sich zur Seite und schlug mit der einen Hand nach Schattens Beinen. Schließlich gelang es ihr, sich bei dieser besonderen Art des Tauziehens durchzusetzen. Sie zog den Stab aus dem Maul der Hündin und krabbelte rasch übers Bett zurück, als Schatten erneut danach schnappen wollte.
Schatten sprang aufs Bett und begann zu bellen, und schließlich begriff Wynn, was dies alles zu bedeuten hatte.
Sie ging nur selten ohne den Stab irgendwohin. Schatten hatte ihn festzuhalten versucht, und ihre Botschaft lautete: Bleib hier, in diesem Zimmer.
»Ich folge der Herzogin«, sagte Wynn. »Du gehst mit Chane. Also los!«
Schatten schnaubte und lief leise knurrend durchs Zimmer und an Chane vorbei. Wynn seufzte einmal mehr, und Chane schüttelte den Kopf, bevor er die Tür schloss.
Die junge Weise stand auf und stellte den Stab wieder in die Ecke des Zimmers.
Sie ertrug es einfach nicht mehr, dass ihr jemand sagte, was sie zu tun und zu lassen hatte. Als sie an dem kleinen Tisch neben der Tür vorbeikam,
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