Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
zur Seite und versuchte, etwas weiter nach oben zu gelangen, als dunkles, schäumendes Wasser über ihre Beine wogte.
»Schatten!«, rief Chane.
Mit der einen Hand stützte er sich an schlüpfrigem Felsgestein ab und setzte den Weg fort.
Schatten drehte den Kopf und bellte, blickte dann zum hinteren Bereich der Bucht. Als Chane sie erreichte, stellte er fest, dass die Dunkelheit dort etwas tiefer wirkte. Die Felsen reichten nicht ganz bis ins Wasser. Unter einem Überhang gab es eine niedrige, breite Öffnung.
Eine Höhle, vom Meer halb überflutet.
Chane sah zum Mond hoch und dann zum Wasser. Wie tief mochte es sein?
Schatten schnaubte ungeduldig und hob die Ohren. Sie sah zur Höhle, neigte den Kopf ein wenig zur Seite und jaulte. Dann bellte sie und wich über den Hang zurück.
»Was ist?«, fragte Chane müde.
Schatten wich noch etwas weiter zurück und blieb dicht bei ihm stehen. Offenbar glaubte sie nicht, dass dies die Höhle war, die sie suchten. Doch Chane musste sicher sein und stieg nach unten. Er zögerte, bevor er einen Stiefel ins dunkle Wasser setzte.
Als er einigermaßen sicher war, dass der Grund nicht steil abfiel, wagte er sich bis zur Taille ins Wasser und wartete, bis sich seine Augen an die tiefere Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann arbeitete er sich langsam zum Überhang vor und spähte in die Öffnung. Der hintere Teil der Höhle blieb in Finsternis verborgen, aber er hörte, wie Wasser gegen Stein schlug. Schattens Verhalten ergab also einen Sinn.
Sie hatte nach einem Tunnel gesucht, in dem das Wasser ungehindert floss. Die Geräusche, die sie gehört hatte, deuteten jedoch darauf hin, dass es drinnen eine Felswand gab.
Chane machte enttäuscht kehrt und kletterte wieder über den Hang. Schatten hatte sich bereits in Bewegung gesetzt und krabbelte nach oben, fort von dem Meeresarm. Chane folgte ihr.
Sie hätten sich sofort auf den Rückweg machen sollen, ohne noch mehr Zeit zu verlieren.
Chanes Blick suchte in dunklen Spalten, Mulden und Löchern – er wollte ganz sicher sein, nichts übersehen zu haben. Alles in ihm sträubte sich dagegen, zum Hafen zurückzukehren, ohne dass sie auch nur den kleinsten Hinweis auf den gesuchten Tunnel gefunden hatten. Er vergaß, wie gefährlich weit sie vom sicheren Quartier im Gasthof entfernt waren – erst das Läuten der fernen Glocken oben am Berghang erinnerte ihn daran.
Er erstarrte und zählte fünf Schläge.
Die fünfte Stunde der Nacht, nach der Zeitrechnung der Zwerge, und sie hatten noch immer nichts entdeckt. Chanes Sorge wurde größer. Müdigkeit war nicht das Problem; er hätte die Suche bis zum Morgengrauen fortsetzen können. Aber es stellte sich die Frage, ob sie den Gasthof vor Sonnenaufgang erreichen konnten.
Die Vorstellung, mit leeren Händen zu Wynn zurückzukehren, behagte ihm ganz und gar nicht.
»Schatten!«
Er kniete auf einem Felsen, als die Hündin weiter vorn stehen blieb und zu ihm zurücksah. Zu seinem Erstaunen blickte sie empor zum Mond, der hinter hohen Wolken glühte. Wusste Schatten, dass es einen guten Grund dafür gab, warum sie in der Nacht unterwegs waren und nicht am Tag? Wenn sie darüber Bescheid wusste …
Eine große Welle klatschte gegen die Felsen.
Gischt sprühte hoch, und von einem Augenblick zum anderen war Chane klatschnass. Als er wieder sehen konnte, stand Schatten auf Armeslänge vor ihm. Sie richtete einen kühlen, starren Blick auf ihn und blinzelte nicht ein einziges Mal.
»Was weißt du?«, flüsterte Chane.
Wenn sie wusste, was er war … Warum hatte sie ihn dann nie angegriffen? Und wenn sie es nicht wusste … Warum sah sie ihn dann so seltsam an?
Chane musste sofort zurückkehren, im Gegensatz zu Schatten.
Unschlüssigkeit ließ ihn zögern. Irgendwie musste er dafür sorgen, dass sie verstand. Wenn sein Verdacht stimmte, wenn Schatten seine wahre Natur kannte … Dann würde sich nichts ändern, wenn er ihr einen Blick in seine Erinnerungen gestattete. Wenn er sich irrte, blieb einer von ihnen hier zurück. Oder er musste fliehen, und was sollte ohne ihn aus Wynn werden?
Verzweiflung stieg in Chane auf.
Einen Tunnel zu finden, der hier vom Meer zur Unterwelt der Zwerge führte, war vielleicht die einzige Chance, die ihnen noch blieb. Wenn Schatten und er keinen Erfolg erzielten, endete Wynns Mission in einem Fehlschlag. Es gab nur eine Möglichkeit, Schatten mitzuteilen, dass sie die Suche ohne ihn fortsetzen sollte.
Chane richtete sich halb auf, den Daumen bereits am
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