Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
genoss einen Moment der Genugtuung, als Chane den Stab aufgab und zu Wynn lief, um sie und den Wolf zu schützen. Dann folgten Ärger und Enttäuschung, als der Hauptmann den Stab beiseite trat. Sein Mantel geriet in Brand, er riss ihn sich vom Leib und warf ihn zu Boden. Im gleichen Moment erreichte das Feuer einen der Wächter. Der Mann schrie; Rauch und Dampf stiegen von seiner nassen Hose auf.
Doch der in das weiße Gewand gehüllte Elf stand einfach nur da.
Er zog die Herzogin zurück und schloss ruhig die Augen. Seine Lippen bewegten sich, aber was auch immer er sprach – die Worte waren so leise, dass Sau’ilahk sie nicht verstand.
Er hatte es satt, mit Unbekanntem konfrontiert zu sein, von geheimnisvollen Zwergen über Wynns zwei Gefährten bis hin zu dem Elfen und der Herzogin. Mit klarem Blick auf das Ziel nahm er die Hand vom Höhlenboden und ließ damit das Feuer los. Sau’ilahk richtete sich auf, bereit dazu, sich mit einem kurzen Dämmern auf die andere Seite der Höhle zu bringen und die Herzogin zu packen, denn mit ihr hatte er das beste Druckmittel in der Hand.
Doch dann hielt Sau’ilahk inne und schauderte verblüfft.
Wynn gab Chane einen Stoß und rief: »Der Stab! Er droht zu verbrennen!«
»Sei still!«, erwiderte er und hielt sie fest. »Bleib unter meinem Mantel.«
Wynn spürte Schattens Nähe, als sie den Hals reckte und an Chanes Schulter vorbeisah. Sie beobachtete, wie der Hauptmann den Stab beiseite trat und das Feuer seinen anderen Stiefel erreichte. Flammen kletterten an den Beinen eines Wächters hoch und breiteten sich schnell in Richtung der Herzogin aus.
Der Stab lag nicht weit vom schwelenden Mantel des Hauptmanns entfernt.
»Lass mich los!«, rief Wynn in Chanes Ohr.
Sein Leib erschien ihr so fest und unbeweglich wie eine Mauer.
Sie sah, wie Reine versuchte, Chuillyon in den Tunnel zu schieben. Aber der große Elf blieb stehen, mit geschlossenen Augen.
»Hinaus mit euch!«, rief Wynn ihnen zu.
Kaum einen Meter vor der Herzogin stiegen die Flammen hoch, und Wynn schnappte unwillkürlich nach Luft.
Die Flammen züngelten hin und her, drangen aber nicht weiter vor – eine unsichtbare Barriere hinderte sie daran. Die Reste des Feuers sammelten sich an dem Hindernis, eine rote, wie zornige Glut, die noch ein letztes Mal aufloderte und dann endgültig verschwand.
Sofort wurde es dunkler in der Höhle. Dampf trieb in dichten Schwaden umher. Der verletzte Wearda lag stöhnend auf dem Boden und hielt sich die verbrannten Beine.
Nicht weit von ihm entfernt sah Wynn ihren unbeschädigten Stab.
Plötzlich zischte es, und etwas Schwarzes kam hinter dem Hauptmann aus der Wand.
Asche-Splitter landete mit einem Pochen dort, wo sich eben noch das Feuer befunden hatte. Er sah zur Höhlenmitte und schnitt eine Grimasse.
»Schaff einen Weg für mich, du lästiger Gauner!«, knurrte er.
Wynn wusste nicht, wen er meinte, bis ein leises Lachen ihre Aufmerksamkeit weckte. Hinter der erstaunten Herzogin lächelte der Elf.
Chuillyons bernsteinfarbene Augen richteten sich auf die Mitte der Höhle. Er nahm die Hand von Reines Schulter und spreizte die Finger.
Kalter Wind fegte plötzlich durch die Kaverne, und Wynn hielt erschrocken den Atem an. Chuillyon runzelte verwirrt die Stirn, und Asche-Splitter erstarrte überrascht, aber Wynn begriff sofort, was geschah.
Diesen jähen Wind hatte sie zweimal in den nächtlichen Straßen von Calm Seatt gefühlt. Der Wrait war verschwunden, aber nicht für lange.
»Wo ist er?«, rief Asche-Splitter und sah sich rasch um.
»Er kehrt gleich zurück«, flüsterte Wynn in Chanes Ohr. »Verschaff mir etwas Zeit!«
Sie sprang an Chane vorbei in Richtung Stab und griff nach der Schutzbrille in ihrer Tasche. Doch Wynn kam nur zwei Schritte weit.
Wogende Finsternis, wie schwarzer Rauch, verdichtete sich auf der rechten Seite, als zwei Steingänger aus der Wand kamen.
Und der Wrait erschien direkt vor der Herzogin.
Sau’ilahk konzentrierte sich auf den Haupteingang der Höhle und leitete ein kurzes Dämmern ein. Einen Moment später erschien er vor der Herzogin, die voller Furcht erbleichte, als sie ihn sah.
Doch mehr als eine Armeslänge trennte ihn von ihr.
Das sollte nicht der Fall sein. Er hätte direkt vor ihr erscheinen müssen. Etwas drückte ihn zurück, als wäre er teilweise stofflich geworden.
Über den Kopf der Herzogin hinweg sah Sau’ilahk in große bernsteinfarbene Augen.
Der Elf erwiderte seinen Blick ruhig und lächelte
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