Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
Eigentum und würden es vielleicht immer bleiben.
Hunger erwachte in ihm, und er begann damit, in Welstiels Rucksack zu suchen. Der Inhalt bestand aus zwei Tagebüchern mit numanischen Schriftzeichen und zahlreichen seltsamen Symbolen sowie einigen sonderbaren Objekten und Behältern.
Chane betrachtete drei Stangen, jede von ihnen so lang wie ein Unterarm und daumendick. Eine bestand aus rotem Messing oder Kupfer, die zweite war grau wie Zinn, aber härter. Die dritte schien aus Obsidian zu bestehen, klirrte aber wie Metall. Neben diesen drei Stangen lag ein dickes stählernes Band, etwa so groß wie ein Teller und mit haarfeinen Gravuren, die nach Holzkohle rochen.
Ganz unten fand Chane zwei Schachteln.
Der langen und flachen, in schwarzes Leder gebunden und in violetten Filz gehüllt, schenkte er keine Beachtung. Er nahm die andere, die aus Walnussholz bestand. In ihr ruhten auf burgunderrotem Polster drei handlange Eisenstäbe, eine Messingschale groß wie eine Teetasse und eine weiße Keramikflasche mit einem Stöpsel aus Obsidian.
Chane wusste in groben Zügen, was es mit dem stählernen Band auf sich hatte, doch seine volle Macht blieb ihm fremd. Welstiel war in der Lage gewesen, es anzufassen, während es glühend heiß war, und das konnte Chane nicht. Er wusste auch, wozu die Messingschale diente, sah sich aber nicht imstande, sie zu benutzen. Welstiel hatte damit die Lebensenergie von Sterblichen in dreimal gereinigtem Wasser aus der Keramikflasche festgehalten. Das hatte ihm die Möglichkeit gegeben, lange Zeit ohne neue Nahrung auszukommen.
Mehr als einmal hatte Chane die brennende, bittere Flüssigkeit getrunken. Er fand es abscheulich, sich auf diese Weise zu ernähren, ohne die Freude der Jagd, ohne die Euphorie beim Trinken von frischem Blut. Aber als Wynns Begleiter unter den Lebenden war die übliche Nahrungsaufnahme mit erheblichen Risiken verbunden. Er wollte nicht, dass sie erfuhr, auf welche Weise er überlebte, und er durfte keine Entdeckung riskieren.
Bisher hatte er nicht in Erfahrung bringen können, wie man die Schale benutzte. Aber sein Intellekt und sein Wissen um Beschwörungen machten ihn neugierig; früher oder später, so sagte er sich, würde er Welstiels Geheimnisse ergründen und herausfinden, welchem Zweck die Schale diente und wie man mit ihr umging. Wenn er nur einmal pro Mond Nahrung brauchte, gab es weitaus weniger Probleme, an Wynns Seite zu bleiben. Aber selbst dann musste er sicher sein, dass sie nicht Zeuge des Vorgangs wurde, denn das Opfer fand unweigerlich den Tod.
Es klopfte an der Tür.
»Bist du wach?«, erklang Wynns Stimme aus dem Flur.
»Einen Moment«, krächzte Chane.
Hastig verstaute er die Schale wieder in Welstiels Rucksack, ging dann zur Tür, öffnete sie … und erstarrte.
Wynn hielt eine tönerne Schüssel in den Händen. Ihr schien nicht ganz wohl zu sein, und ein dünner Schweißfilm lag glänzend auf ihrem Gesicht.
»Bist du krank?«, fragte Chane.
Als sie nicht antwortete, sah er auf die Schüssel hinab. Ein vertrauter Geruch stieg ihm in die Nase.
»Was ist das?«, fragte er.
Wynn schluckte hörbar, schob sich an ihm vorbei, betrat das Zimmer und stieß die Tür zu, bevor Schatten ihr folgen konnte. Die Hündin bellte im Flur, aber Wynn achtete nicht darauf.
»Dies ist … dies ist …« Sie brachte den Satz nicht zu Ende, und inzwischen hatte Chane den kupfernen, salzigen Geruch identifiziert.
»Blut?«, fragte er.
»Ziegenblut«, platzte es aus Wynn heraus. Sie quiekte fast. »Ich bin … bei einem Fleischer gewesen. Es … ist ganz frisch.«
Wynn schluckte erneut, und diesmal war es fast ein Würgen. Chane nahm ihr rasch die Schüssel ab und war entsetzt von dem, was sie getan hatte.
»Ich habe dem Fleischer gesagt, es sei für … Blutwurst«, flüsterte Wynn und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Ich komme später wieder«, fügte sie hinzu. »Ich muss noch einige Dinge besorgen, bevor wir heute Abend aufbrechen.«
Sie öffnete die Tür wieder und schlüpfte hinaus. Schatten hörte auf zu bellen.
Chane starrte auf die Schüssel.
Wynn musste gemerkt haben, dass er während ihrer Reise jede Nacht hungriger geworden war. Als Beschützer war er zu ihr gekommen – davon gingen sie beide aus. In Wahrheit wäre er zu allem bereit gewesen, nur um in ihrer Nähe bleiben zu können. Jetzt hatte sie einen Schlachter besucht und ihn gebeten, vielleicht extra für sie eine Ziege zu schlachten, damit sie ihm frisches Blut
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