Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
Kraft vollständig aufzunehmen.
Als er in die Dunkelheit zurückwich, dachte er noch einmal an Wynn. Wenn die stümperhafte junge Weise die Hassäg’kreigi, die Steingänger, nicht finden konnte, musste er sie irgendwie aus der Reserve locken. Und die Steingänger erschienen nur aus einem Grund.
Sau’ilahk musste einen Thänæ töten.
6
Wynn erwachte, fühlte sich miserabel und öffnete widerstrebend die Augen.
Sie lag voll angezogen auf einem steinharten Bett in einem seltsamen Zimmer, hatte aber nicht die Kraft, sich zu fragen, warum sie sich an diesem Ort befand. Sich auf die andere Seite zu drehen grenzte an eine Tortur und brachte ihr Gesicht in unmittelbare Nähe von Schattens Schnauze.
»Oh«, stöhnte sie und hielt eine Hand vor Mund und Nase.
Hundeatem tat nicht gut, wenn man mit Übelkeit zu kämpfen hatte.
Bei jedem Atemzug von Schatten zeigte sich cremefarbenes Unterhaar im dunkelgrauen Fell am Brustkorb. Bruchstückhafte Erinnerungen an die vergangene Nacht stiegen in Wynn auf: das Begrüßungshaus, der Handel mit dem Thänæ, das Erzählen der Geschichte vor den vielen Zwergen, dann die Schmiede … und Splitter. Sie hatte Hochturms Schwester erzürnt und damit ihre einzige Chance ruiniert, eine Spur der Steingänger zu finden.
»Oh, bei den sieben Höllen«, sagte sie und stöhnte erneut, als sich in ihrem Magen etwas zusammenkrampfte.
Schattens linkes Ohr zuckte, und die Lider hoben sich ein wenig. Darunter kamen hellblaue Augen zum Vorschein.
Wynn rollte sich herum, lugte über die Bettkante und hielt verzweifelt nach etwas Ausschau, in das sie sich erbrechen konnte. Wieder drehte sich ihr der Magen um, und sie würgte, ohne sich zu übergeben.
Als es vorbei war, hatte sie stechende Kopfschmerzen, und ihr Gesicht glühte wie im Fieber. Etwas Kaltes und Feuchtes berührte sie am Hals, und dann strich ihr etwas Warmes übers Gesicht.
»Ach, hör auf damit!«
Wynn schob Schattens Schnauze beiseite, aber die Berührung brachte weitere Bilder an die vergangene Nacht.
Mit Schattens Erinnerungen sah sie sich selbst in einem Torbogen, als Chane aufbrach, um den vergessenen Rucksack zu holen. Nach einer Weile kehrte er zurück und trug sie durch einen Tunnel in die Nähe der Stelle, an der sie Meerseite betreten hatten. Er hatte alle drei Rucksäcke und ihren Stab.
»Na schön, ich verstehe«, ächzte Wynn und sah sich in dem unvertrauten Zimmer um.
Wo war Chane?
Schatten knurrte, und Wynn rollte sich auf die andere Seite. Die Hündin saß hinter ihr und blickte übers Fußende des Bettes. Wynn kroch an ihr vorbei, um selbst nach dem Rechten zu sehen.
Chane lag lang ausgestreckt auf dem Boden, mit einem Rucksack als Kopfkissen und seinem Mantel als Decke. Das fransige rotbraune Haar bildete ein wirres Durcheinander, und das weiße Hemd war zerknittert. Mit geschlossenen Augen wirkte das Gesicht glatt und entspannt.
Er atmete nicht und lag so still wie eine Leiche.
Selbstmitleid und heftige Kopfschmerzen sorgten dafür, dass Wynn Chane fast beneidete.
Das kleine Zimmer war natürlich fensterlos, und seine Einrichtung bestand nur aus dem einen harten Bett, einer Kohlenpfanne für Zwergen-Kristalle samt Deckel und einem kleinen Tisch, auf dem eine Blechtasse und ein tönerner Krug standen. Wynn musste sich unbedingt den grässlichen Geschmack aus dem Mund waschen.
Sie verließ das Bett auf der anderen Seite, weil sie nicht über Chane hinwegsteigen wollte, und wankte zum Tisch. Dort griff sie mit beiden Händen nach dem Krug und trank.
Ihr Magen fühlte sich wie umgestülpt an. Wie konnten drei oder vier – oder waren es mehr gewesen? – Schlucke Zwergenbier eine solche Wirkung auf sie entfalten? Wie konnte sie so sehr die Kontrolle über sich verloren haben?
Die junge Weise trank erneut und füllte dann den Becher für Schatten. Als die Hündin vom Bett sprang, um ebenfalls zu trinken, sank Wynn voller Elend auf die Knie und erinnerte sich an die Mischung aus Zorn und Schmerz in Splitters Gesicht.
Sie konnte nicht zur Schmiede zurück – die Tür hatte sie selbst zugeschlagen, noch fester als Splitter. Was nun? Aufgeben kam nicht infrage. Sie mussten die Texte lokalisieren und feststellen, was der Wrait gesucht hatte. Wynn musste mehr über die Kugel, ihren Zweck und den Alten Feind mit den vielen Namen herausfinden. Sie musste in Erfahrung bringen, ob er zurückkehrte … und ob man ihn irgendwie aufhalten konnte.
Sie musste eine Möglichkeit finden, alles miteinander in
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