Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
Vater-Zunge seine letzte Geschichte.
Als das Publikum erneut jubelte und mehr verlangte, schüttelte er nur den Kopf, und daraufhin kehrte Stille ein. Der Dichter verkündete, dass er alles erzählt hatte, was er wusste; es gab keine weiteren Geschichten, die er erzählen konnte.
Habgier begann zu lachen.
Es war ein hässliches, Unruhe schaffendes Geräusch, das in der Stille überall zu hören war. Erneut behauptete er, nicht mit dem Kauf zufrieden zu sein. Aufgebrachte Blicke trafen ihn; einige Zuhörer fluchten sogar, wenn auch leise.
Vater-Zunge verbeugte sich höflich und bot an, die letzte Bezahlung zurückzugeben.
Habgier lächelte.
Er beauftragte einen Bediensteten, drei Geldbeutel mit Gold und Edelsteinen zu füllen – so viel hatte er das letzte Mal bezahlt. Er brauchte gar nicht zu versuchen, mehr zu nehmen, denn hundertmal so viel lag auf dem Boden, ohne dass der Dichter es mitnehmen konnte.
Stimmen erklangen aus der Menge, und einige von ihnen baten den Dichter um eine letzte Geschichte. Andere riefen Habgier zu, dass der Handel jetzt, nach der Rückgabe der letzten Bezahlung, abgeschlossen sei.
Habgier wurde nervös. Gesetz und Tradition ließen ihm keine andere Wahl, und er winkte die Wächter fort. Er hatte alles bekommen, was der Vagabund besaß, und damit konnte der Dichter gehen.
Vater-Zunge verneigte sich noch einmal, aber nicht vor Habgier.
Er drehte sich in alle acht Richtungen und bot dem Publikum seinen bescheidenen Dank an, wandte sich dann zum Gehen. Auf halbem Weg zum nördlichen Tunnel unter dem Amphitheater ertönte plötzlich eine laute Stimme.
Habgier war inmitten der Ältesten aufgestanden.
Alle starrten sprachlos auf den Schatz, der sich in der Mitte des Amphitheaters angesammelt hatte. Habgier fragte, warum der Dichter nichts mitnahm.
Vater-Zunge schüttelte nur den Kopf.
Hämische Freude erfasste Habgier. Dieser Dummkopf wollte nicht einmal einen kleinen Teil der Bezahlung einstecken. Habgier hatte nicht nur alle Geschichten dieses Idioten bekommen, sondern erhielt auch seinen Reichtum zurück.
Vater-Zunge drehte sich um.
»Ich akzeptiere deine Bezahlung, und damit gehört sie mir«, sagte er. »Aber ich rühre nichts davon an, und deshalb darf sie auch sonst niemand anrühren. So will es das Gesetz des Handels, selbst wenn es um einen Kauf geht.«
Plötzliche Ungewissheit ließ Habgier erstarren.
Der Blick von Vater-Zunge wanderte über die Ältesten und dann über das große Publikum auf den steinernen Stufen des Amphitheaters.
»Aber ich biete dies, mit meinem Eid und euch allen als Zeugen«, fügte er hinzu und deutete auf Habgier. »Wer auch immer einen wahren Handel mit diesem Mann erlangt, kann einen entsprechenden Anteil von dem nehmen, was ich hier zurücklasse.«
Habgiers Herz raste in jäher Panik. Er starrte auf den Schatz, der aus seinen Bezahlungen für die Geschichten bestand, zusammen mit einigen wenigen Münzen aus dem Publikum.
»Aber nur ehrenwerter Handel kommt dafür infrage«, betonte Vater-Zunge und zeigte noch immer auf Habgier. »Denn jene, die diesem Mann nur Münzen geben und von ihm nehmen, sollen nichts von dem bekommen, was mein ist.«
Habgier sah sich um und stellte fest, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren.
Er hatte keine Fertigkeiten mehr, und auch keine Waren, die es ihm ermöglicht hätten, auf traditionelle Weise zu handeln. Selbst mit List und Betrug konnte er seinen Reichtum nicht zurückbekommen, denn Vater-Zunge hatte deutlich darauf hingewiesen, dass nur ein ehrenwerter, fairer Handel infrage kam. Selbst Diebstahl blieb ihm verwehrt, denn der Schatz lag hier vor aller Augen.
Vater-Zunge nahm Stab und Rucksack einem verblüfften Wächter ab, der noch immer auf die Haufen aus Münzen und Edelsteinen starrte, und dann verließ er jenen unglücklichen, gefallenen Ort. Es heißt, dass niemand aus dem vergessenen Seatt auch nur eine Münze oder einen einzelnen Edelstein aus dem Schatz des Dichters anrührte.
Fairer Handel mit Habgier war unmöglich. In Hinsicht auf Waren und Dienstleistungen hatte er nichts anzubieten.
Vielleicht besuchte der falsche Thänæ seinen verlorenen Reichtum jeden Tag und betrachtete ihn dort, wo ihn alle sehen konnten. Immer musste er damit rechnen, beobachtet zu werden, und deshalb wagte er es nicht, auch nur eine einzige Münze zu stehlen.
Vielleicht wurde es im Lauf der Zeit zu viel für Habgier, sich von dem zurückgelassenen Schatz des Dichters verspotten zu lassen. Er erinnerte ihn
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