Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)
verwunderte den Hauptmann: Er schien wie die Gewänder der Weisen geschnitten zu sein, doch Weiß war nicht die Farbe eines der fünf Orden.
»Prinzessin Âthelthryht Âreskynna und Herzogin Reine Faunier-Âreskynna«, verkündete der Elf und trat beiseite.
Rodian spürte, wie seine Anspannung wuchs.
Herzogin Reine kam als Erste herein.
Ihr offenes kastanienbraunes Haar wurde von zwei Kämmen aus Perlmutt gehalten, geformt wie schäumende Meereswellen. Diesmal trug sie keinen Rock, sondern eine Kniehose und Reitstiefel, darüber ein weißes Hemd aus schimmerndem Stoff. An der linken Hüfte hing ein Säbel an einer weißen Satin-Schärpe, die sie sich um die Taille geschlungen hatte. Er gab ihr etwas Schurkenhaftes, und in dieser Aufmachung wirkte sie jünger.
»Hauptmann«, begrüßte sie ihn. »Ist alles in Ordnung mit Euch? Ihr seid gestern Abend nicht verletzt worden?«
»Nein, es geht mir gut, Hoheit«, antwortete er vorsichtig und fragte sich erneut, warum er hier war. »Aber von meinen Männern kann ich das nicht sagen.«
Prinzessin Âthelthryht kam herein und bildete einen auffallenden Kontrast zu ihrer Schwägerin.
Rodian hatte sie nur einige wenige Male gesehen. Sie war fast so groß wie er und so rank und schlank wie eine junge Espe. Natürlich hatte sie das typische goldgelbe Haar ihrer Blutlinie und auch die dazu gehörenden aquamarinblauen Augen. Das Gesicht war schmal, und eine gerade Nase saß über einem Mund mit dünnen Lippen. Sie trug ein eher schlichtes türkisfarbenes Kleid mit langen Ärmeln, aber selbst darin hätte sie niemand für eine Angehörige des niederen Adels gehalten. Reine strahlte immer eine Ruhe aus, die auf große innere Kraft hindeutete, aber Âthelthryht füllte jeden Raum mit ernster, würdevoller Reserviertheit und kühler Wachsamkeit.
Rodian sank auf ein Knie, neigte den Kopf und wartete darauf, angesprochen zu werden.
»Hauptmann«, sagte die Prinzessin, und er hob den Kopf weit genug, um ihr kurzes Nicken zu sehen.
»Kommt und nehmt Platz«, fügte die Herzogin hinzu. »Wir möchten Euch um einen Dienst bitten.«
Rodian erhob sich, als die Herzogin auf einem Sofa Platz nahm und auf das ihr gegenüberliegende deutete. Dann streckte sie ihre Hand der Prinzessin entgegen.
»Komm, Schwester.«
Diese Anrede verwendeten die Königlichen und hohen Adligen bei den Ehefrauen und Ehemännern von Brüdern und Schwestern. Dem Volk gegenüber sollte damit Einheit vermittelt werden: eine heile Familie von Herrschern. Doch als sich Âthelthryht näherte, nahm sie Reines Hand und drückte sie kurz, bezog dann hinter der Herzogin Aufstellung, wie eine Wearda.
Hier gab es mehr als nur Solidarität. Rodian erkannte echte Zuneigung, die Reine von den Âreskynnas empfing. Er nahm ihnen gegenüber auf dem anderen Sofa Platz.
Der große Elf schloss die Tür und verharrte einige Schritte von den beiden Frauen entfernt.
»Wir haben einen beunruhigenden Bericht bekommen«, begann die Herzogin. »Eine junge Reisende der Gilde war in die Tragödie des gestrigen Abends verwickelt.«
Rodian blinzelte. Welche Bericht meinte Reine, und von wem stammte er?
»Nicht verwickelt«, berichtigte er. »Die Reisende erfuhr, dass ein Foliant nicht zurückgegeben worden war. Sie wusste nichts von den Vereinbarungen zwischen Domin Hochturm und dem Inhaber des Skriptoriums. Ihre Präsenz am Tatort war ein unglücklicher Zufall.«
Prinzessin Âthelthryht runzelte die Stirn. Es erstaunte Rodian, dass ihr sonst so maskenhaft starres Gesicht überhaupt etwas zeigte.
»Seid Ihr sicher?«, fragte sie mit einer Stimme, die keine Gefühle verriet. »Die Reisende trifft überhaupt keine Schuld?«
Rodian wurde wachsam.
Die königliche Familie schien zu allem bereit zu sein, wenn es darum ging, die Weisen zu beschützen. Doch jetzt wirkte diese Prinzessin fast enttäuscht, dass eine junge Reisende der Gilde nichts mit den Verbrechen zu tun haben sollte.
Zwischen Wynn und den mörderischen Dieben gab es tatsächlich eine Verbindung, aber Rodian glaubte, dass sie nicht direkt an den Diebstählen beteiligt war. Er hatte sie Skyion und Hochturm in der Hoffnung überlassen, mit ihrer Hilfe mehr erfahren zu können.
Aber wenn die Königlichen bereits von Wynns Beteiligung an den Ereignissen des vergangenen Abends wussten … Hatten sie dann auch gehört, dass sie Anspruch auf die Texte erhob? Versuchten sie, Wynn in Misskredit zu bringen, damit die Texte unter Verschluss blieben?
»Nach meinem bisherigen
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