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Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Titel: Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barb J. C. Hendee
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genug. Wynns Texte sollten geheim bleiben – das entsprach dem Wunsch der königlichen Familie, und sie erwartete von ihm, dass er diesem Wunsch entsprach. Er fühlte sich plötzlich zwischen Pflicht, Glauben und Ehrgeiz gefangen.
    Er war der Kommandeur der Shyldfälches. Leben hingen von ihm ab, selbst die Leben der wohlmeinenden, aber fehlgeleiteten Weisen. Doch er wusste auch, was königliche Dankbarkeit bedeutete.
    Rodian atmete tief durch. »Ich werde mein Bestes tun.«
    Am späten Morgen lag Wynn noch immer im Bett. Die Aufregung des vergangenen Abends hatte sie erschöpft, und sie war erst sehr spät in einen unruhigen Schlaf gefallen. Schließlich schwang sie die Beine aus dem Bett und setzte die kleinen Füße auf den kalten Steinboden.
    Was hatte sie mit ihren Einmischungen und Drohungen angerichtet?
    Zweifellos war dadurch ihr Platz in der Gilde in Gefahr geraten. Auf dem Heimweg hatten weder Skyion noch Hochturm ein Wort mit ihr gesprochen. Seit ihrer Rückkehr aus den Fernländern war sie in der Gilde nicht mehr glücklich gewesen, doch sie kannte nur das Leben als Weise. Was sollte sie tun, wenn sie ausgestoßen und fortgeschickt wurde?
    Sie dachte an die ermordeten Weisen, an die ablehnende Haltung ihrer Oberen, und auch daran, wie sich ihre Freunde und Reisegefährten unter solchen Umständen verhalten hätten. Nach einer Weile gelangte sie zu dem Schluss, dass sie am vergangenen Abend die richtige Entscheidung getroffen hatte.
    Ein leises Klopfen an der Tür ließ sie erschrocken zusammenfahren. Sie musste sich zwingen, aufzustehen und die Tür zu öffnen.
    Domin il’Sänke stand im Flur. Seine gerunzelte Stirn deutete auf Sorgen hin – oder brachte vielleicht Verachtung zum Ausdruck, wenn er bereits wusste, was sie getan hatte.
    »Zieh dich an«, sagte er. »Der Premin-Rat hat eine allgemeine Versammlung einberufen.«
    Wynn spürte, wie ihr etwas die Kehle zuschnürte. Sollte sie in Anwesenheit aller Mitglieder aus der Gilde verstoßen werden?
    Es spielte keine Rolle. Sie wollte Zugang zu den Texten, um jeden Preis.
    Il’Sänke schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass es um dich geht«, sagte er und schien ihre Gedanken zu erraten.
    Wynn merkte plötzlich, dass sie in ihrem Nachthemd vor ihm stand. Sie bat ihn zu warten, schloss die Tür und kleidete sich schnell an. Sie hielt sich nicht damit auf, ihr Haar zu bürsten, zog die Tür erneut auf und trat in den Flur.
    Il’Sänke stand dort und schien etwas zu beobachten. Sein Blick ging durch den Korridor, aber der war leer – weit und breit war niemand zu sehen.
    »Ich bin so weit«, sagte Wynn.
    Il’Sänke wirkte wie jemand, der dabei überrascht wurde, ein Gespräch zu belauschen. Er nickte, und sie folgte ihm zur Treppe. Als sie kurz darauf den Gemeinschaftsraum erreichten, erwartete Wynn ein überraschender Anblick.
    Der Saal platzte fast aus den Nähten.
    Alle Initiaten, Lehrlinge, Reisende, Meister und Domins waren gerufen worden. Die fünf Premins der Orden standen vor dem großen Kamin, der Versammlung zugewandt. Noch erstaunlicher war die Präsenz von Meisterschreibern und Inhabern aller Skriptorien, die im letzten halben Jahr Aufträge von der Gilde erhalten hatten: »Gold und Tinte«, »Tintenfass«, »Feder & Pergament«, »Vier Schreiber in einem Haus«. Sie alle standen dicht gedrängt vor dem Rat, bis auf die Repräsentanten des »Aufrechten Federkiels«.
    Wynn sah die Meister a’Seatt und Teagan auf der linken Seite des Kamins.
    Sie blickte sich weiter um. Wer nicht die Kleidung der Gilde trug, fiel sofort auf: Hauptmann Rodian stand weiter hinten, neben dem großen Torbogen. Als Wynn den Saal zusammen mit il’Sänke betrat, wandte sich der Hauptmann mit verschränkten Armen zu ihr um, und ihre Blicke trafen sich. Dann sah er il’Sänke an, und seine Züge verhärteten sich.
    In der Zelle hatte Rodian gefragt, wo il’Sänke gewesen war. Warum ausgerechnet er?
    Premin Skyion hob die Hände, und sofort wurde es still im Saal. Sie trat auf den vorderen Sims des Kamins; Domin Hochturm stand rechts von ihr.
    Mit klarer Stimme sagte sie: »Nach reiflichen Überlegungen in Hinsicht auf die jüngsten Ereignisse sieht sich der Rat zu Veränderungen gezwungen, die alle an dem Übersetzungsprojekt Beteiligten betreffen – und auch die übrigen Mitglieder der Gilde.«
    Skyion zögerte und ließ ihren Blick durch den stillen Saal wandern.
    »Wir möchten Spekulationen über unsere wahren Absichten vorbeugen und haben deshalb

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