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Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)

Titel: Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barb J. C. Hendee
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Premins am Kamin richtete.
    Wynns Blick wanderte zwischen Hauptmann, Domin und dem Torbogen, durch den Shilwise verschwunden war, hin und her. Eine seltsame Benommenheit erfasste sie.
    Was war gerade geschehen? Warum zählte Rodian überhaupt zu den Anwesenden? Und ahnte il’Sänke etwas vom Verdacht des Hauptmanns?
    »Das ist noch nicht alles«, sagte Skyion laut. »Bis auf Weiteres bleiben alle Mitglieder der Gilde, von den Initiaten bis zu den Premins, von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang hier auf dem Gelände. Wer Familienangehörige in der Stadt hat oder woanders wohnt, sollte ebenfalls hierbleiben. Es gibt keine Ausnahmen. Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen, danke.«
    Skyion trat vom Sims vor dem Kamin herunter und sprach leise mit den anderen Mitgliedern des Premin-Rats. Ein Stimmengewirr breitete sich im Saal aus, als Weise aufstanden, kleine Gruppen bildeten oder den Ausgängen entgegenstrebten.
    Die Versammlung war vorbei, aber Rodian blieb. Junge und alte Gildenmitglieder gingen an ihm vorbei, doch sein Blick galt allein dem Rat vor dem Kamin. Auch Wynn wandte sich zum Gehen.
    »Wynn!«, rief eine tiefe Stimme, und sie drehte sich um.
    Domin Hochturm stand in der Mitte des Saals. Zum ersten Mal seit der Begegnung in Rodians Arbeitszimmer sprach er sie an. Sie sah kurz zu il’Sänke.
    »Du solltest besser gehen«, sagte er.
    Mit einem letzten besorgten Blick auf il’Sänke setzte sie sich in Bewegung. Hochturm marschierte bereits zum kleineren Ausgang auf der einen Seite des Saals, und sie folgte ihm.
    Er sprach kein weiteres Wort, führte sie durch den Flur zum Nordturm und dort in sein Arbeitszimmer. Die Erleichterung, die Wynn eben noch im Saal empfunden hatte, löste sich auf; sie rechnete mit dem Schlimmsten. Wollte Hochturm ein privates Gespräch mit ihr nutzen, um sie aus der Gilde zu werfen?
    Als sie eintraten, nahm der Zwerg nicht etwa an seinem Schreibtisch Platz, sondern ging zum Fenster und blickte über die alten Zinnen.
    »Premin Skyion … «, begann er und zögerte. »Wir haben beschlossen, dir Zugang zu den bisher übersetzten Texten zu gewähren, aber nicht zu den Originalen. Und nur unter der Bedingung, dass du deinen lächerlichen Anspruch aufgibst.«
    Wynn hielt den Atem an, und für einen Moment fühlte sie sich hin- und hergerissen zwischen Erleichterung und Ärger.
    Wenn sie beim Generalanwalt Anspruch auf alle Texte erhob, kam es zu einer Gerichtsverhandlung, die sich über viele Monde hinziehen konnte. Es gab Präzedenzfälle in Bezug auf die Rechte, die jemand erwarb, der für eine der Gilden arbeitete, und es bestand durchaus die Möglichkeit, dass sie letztendlich verlor. Es genügte ihr vorerst, die Übersetzungen zu sehen; vielleicht fand sie in ihnen einen Hinweis darauf, was die schwarze Gestalt suchte.
    Und sie wurde nicht aus der Gilde verstoßen.
    Aber Wynn wollte Hochturm ihre Erleichterung nicht zeigen.
    »Und den Kodex«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich brauche den Kodex, um festzustellen, welche übersetzten Teile mit derselben Quelle in Verbindung stehen. Zu viele Seiten und Entwürfe sind bereits verloren gegangen.«
    Das wusste Hochturm. Wynn musste Einblick in jede Phase der Übersetzung haben, um herauszufinden, worauf es der Mörder abgesehen hatte.
    Hochturm nickte knapp, ohne sich vom Fenster abzuwenden.
    »Wann?«, fragte Wynn.
    »Morgen«, antwortete er. »Es werden Vorbereitungen für dich getroffen.«
    Angesichts einer weiteren Verzögerung regte sich neuer Ärger in Wynn, aber sie erhob keine Einwände. Wenn keine weiteren Folianten zwischen Skriptorien und der Gilde hin und her getragen wurden, konnte sie noch einen Tag warten.
    Domin Hochturm sah sie noch immer nicht an.
    Etwas in seinem Profil deutete darauf hin, dass er sie für undankbar und illoyal hielt, vielleicht auch für hochnäsig. Aber wichtig war nur: Ein Untoter brachte Weise um, bedrohte vielleicht sogar Hochturm. Und außer Wynn stellte sich niemand dieser Wahrheit.
    »Einverstanden«, sagte sie und drehte sich zur Tür um.
    »Was ist mit dir passiert, Wynn?«
    Sie erstarrte, die Hand auf der Klinke. Hochturm klang traurig, fast besiegt. Mit einem Ruck öffnete sie die Tür und trat hinaus.
    »Ich bin erwachsen geworden«, sagte Wynn.
    Sie sah nicht zurück, als sie die Tür schloss.

12
    Es war kurz nach der Abenddämmerung, und Chane ging in seiner schäbigen Dachkammer auf und ab.
    Wynn hatte ihn gesehen und wusste, dass er in ein Skriptorium eingebrochen war, um einen

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