Dhampir: Vergessene Zeit (German Edition)
und legte ihm die Hand auf den Arm. »Dies ist Schatten. Sie ist ein Majay-hì, kein Wolf.«
Rodian wusste nicht, was sie damit meinte, aber er bemerkte den verblüfften Blick, den Domin Bitworth Hochturm zuwarf. Der Zwerg schnitt, typisch für ihn, eine finstere Miene und seufzte.
Nikolas entspannte sich zwar, streckte die Beine aber nicht wieder aus.
Wynn legte der Wölfin die Hände an den Kopf und sah ihr in die Augen. Das Tier erstarrte kurz, sah dann Nikolas an.
Der schien die anderen erst jetzt zu bemerken und zu erschrecken, als er Rodian sah.
»Niemand sagt mir etwas«, wandte er sich an Wynn. »Was ist mit Miriam und Dâgmund?«
Wynn erblasste und sah Hochturm und Bitworth an. Der Zwerg schluckte, und schließlich richtete Wynn den Blick auf Rodian.
»Es tut mir leid«, sagte Rodian zu Nikolas. »Ich bin nicht rechtzeitig zur Stelle gewesen.«
Nikolas starrte ihn mit ausdrucksloser Miene an. Dann wandte er sich halb ab und krümmte sich zusammen, als kehrte der Schmerz zurück.
Rodian fühlte sich schuldig.
Ganz gleich, was die Premins und Domins getan – oder nicht getan – hatten: Als Hauptmann der Shyldfälches war es seine Pflicht, die Bürger der Stadt zu schützen. Und dazu wäre er auch in der Lage gewesen, wenn ihn die Weisen darauf hingewiesen hätten, dass sie einen weiteren Folianten schickten.
»Der Hauptmann hat dich so schnell wie möglich zu uns gebracht«, sagte Wynn.
»Das reicht.« Bitworth trat näher.
Der Wolf wich vor ihm zurück, zum Kopfende des Bettes, und knurrte.
»Er ist gerade erst zu sich gekommen«, sagte er. »Ihr erschöpft ihn.«
»Ja, ja«, brummte Hochturm und sah auf Nikolas hinab. »Fühlst du dich kräftig genug, uns ein bisschen was zu erzählen? Der Hauptmann möchte wissen, an was du dich erinnerst, in Hinsicht auf die Ereignisse an jenem Abend.«
Nikolas war noch immer erschüttert vom Tod seiner Freunde. Der Blick seiner braunen Augen huschte unstet hin und her. Domin Bitworth winkte Hochturm respektvoll zur Seite, trat zur anderen Seite des Bettes und gab Nikolas etwas Wasser zu trinken.
»Jeder Hinweis könnte uns helfen«, sagte Rodian und kam sich ein wenig rücksichtslos vor. Aber je eher sie dies hinter sich brachten, desto besser.
»Groß … so groß … und schwarz«, flüsterte Nikolas, und er sah Wynn an. »Ein schwarzer Kapuzenumhang … und darüber ein Mantel, der … sich bewegte, die Wände hochkletterte. Die Gestalt folgte uns in die Gasse. Und dann begann Miriam zu schreien … wie Sherie.«
»Sherie?«, hauchte Wynn.
Nikolas schien sie nicht zu hören. Er zitterte und starrte ins Leere. Plötzlich hob er die Hände und drückte sie auf die Ohren – er versuchte, sich vor einem Geräusch zu schützen, das außer ihm niemand hörte.
»Wer ist Sherie?«, fragte Rodian leise.
Wynn schüttelte langsam den Kopf und beobachtete Nikolas verwundert. Als Rodian Hochturm ansah, schüttelte der Domin ebenfalls den Kopf. Bitworth ging neben dem Bett in die Hocke.
»Nikolas«, sagte er behutsam. »Versuch, dich auf die Gasse zu konzentrieren. Was ist dort geschehen?«
Der Blick des jungen Mannes wanderte erneut umher. »Ich habe versucht, hinter Miriam zu bleiben, als wir liefen, aber … Die schwarze Gestalt war überall, vor uns, hinter uns … überall im Wald .«
Bitworth seufzte. »Ich fürchte, er verliert wieder das Bewusstsein. Seine Erinnerungen geraten durcheinander.«
Rodian achtete nicht auf ihn. Seine Stimme war ruhig und fest, als er sagte:
»Nikolas, du warst nicht weit von dem Skriptorium entfernt, als ich dich fand. Wann hast du die schwarze Gestalt zum ersten Mal bemerkt? Hat sie etwas gesagt?«
Nikolas blinzelte und schien ins Hier und Jetzt zurückzufinden. »Wir gingen, und plötzlich war sie vor uns, mitten auf der Straße. Sie bewegte sich nicht, und es kam überhaupt kein Geräusch von ihr. Wir machten kehrt, und da war sie erneut, aber näher. Sie streckte die Hand nach Miriam aus. Dâgmund riss mich zurück und stieß mich in die Gasse … Ich lief und hörte Sherie schreien.«
Wieder nannte er nicht Miriams Namen, sondern einen anderen.
»Es wurde so kalt zwischen den Bäumen«, flüsterte Nikolas. »Und die schwarze Gestalt … Sie packte Sherie, und Sherie hörte auf zu schreien. Karl versuchte, sie zu erreichen, aber … sein Vater ergriff den Folianten. Die Finger … von schwarzem Stoff umhüllt … Sie gingen durch sie hindurch und schlossen sich um den Folianten.«
Enttäuschung machte sich in
Weitere Kostenlose Bücher