Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dhampir

Dhampir

Titel: Dhampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Hendee
Vom Netzwerk:
Kædmon fand immer wieder Anlass, ihn herauszufordern. Er trieb seine Männer zu sehr an und verlangte nächtliche Angriffe, wenn sie den ganzen Tag marschiert waren.
    Kædmon kam näher, und Sorhkâfaré sah die dunklen Risse im Kettenhemd des großen Mannes. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, es auszuziehen, was Sorhkâfaré ihm kaum verdenken konnte. Warum es nicht anbehalten? In wenigen Stunden würden sie erneut reiten, entweder auf der Flucht oder um den Feind erneut anzugreifen.
    Jemand trat hinter Kædmon aus einem Zelt und zog einen Körper hinter sich her.
    Sorhkâfaré hatte keinen Kummer mehr für jene übrig, die ihren Verletzungen erlagen. Doch die schattenhafte Gestalt ließ den Körper einfach im Dreck liegen und ging zum nächsten Zelt.
    »Hast du sie nicht kommen sehen?«, fragte Kædmon. »Hast du nicht unsere Hilferufe gehört, als die Sonne hinter den Hügeln unterging? Oder hast du nur daran gedacht, die Verwundeten deines Volkes zwischen den Toten zu suchen und fortzubringen?«
    Sorhkâfaré richtete den Blick wieder auf Kædmon. Er sah nur die Umrisse des langen Gesichts mit dem kantigen Kinn unter dem breiten Mund.
    »Was soll diese neue Gehässigkeit?«, erwiderte er. »Wir haben niemanden zurückgelassen, der noch atmete! Alle haben wir hierher getragen, auch jene, für die keine Hoffnung besteht, dass sie bis morgen überleben.«
    Mehrere Tage alte Bartstoppeln zeigten sich an Kinn und Wangen des Mannes. Die Stoppeln am Hals wirkten noch dunkler. Kædmon trug keinen Helm; strähniges schwarzes Haar umgab sein hellhäutiges Gesicht. In den blutrünstigen menschlichen Augen glitzerte es.
    »Mich habt ihr nicht mitgenommen«, sagte Kædmon. Seine Worte klangen seltsam, als fiele ihm plötzlich das Sprechen schwer. »Ich habe noch geatmet, als sie nach dem Sonnenuntergang zwischen den Toten umherschlichen und nach jenen suchten, die ihr übersehen habt.«
    Ein dunkler Fleck an Kædmons Kehle glänzte, als er auf Speereslänge herankam.
    Sorhkâfaré wich zurück.
    Eine klaffende Wunde in der Seite von Kædmons Hals hatte die Kehle mit einer Mischung aus Blut und schwarzer Flüssigkeit bedeckt.
    Kædmons Augen waren so farblos wie seine bleiche Haut.
    »Ich kann nicht aufhöre n … Sie lassen es nicht zu.«
    Kædmon schloss die Augen und erbebte kurz, hob die Lider dann wieder und kam einen weiteren Schritt näher. Plötzlich gab er den Widerstan d – gegen was auch imme r – auf, streckte die Hände aus und griff an.
    Sorhkâfaré verzichtete darauf, sein Messer zu ziehen.
    In diesen langen Jahren des Kampfes hatte Kædmon zu viel gesehen. Das galt für sie alle. Offenbar hatte er die Belastung nicht mehr ausgehalten und den Verstand verloren. Trotz ihrer Differenzen war er ein Verbündeter, der an Sorhkâfarés Seite gekämpft hatte. Kædmon hatte seinen Vater verloren, als ihre Siedlung vom Feind überrannt worden war. Danach hatte er den Kampf fortgesetzt, mit unerschütterlicher Loyalität.
    Sorhkâfaré trat zur Seite, bereit dazu, Kædmons Hände fortzustoßen, aber plötzlich fühlte er die Finger des Angreifers an der Kehle. Für einen Verwundeten bewegte sich Kædmon viel zu schnell.
    Die Finger drückten zu.
    Sorhkâfaré bekam keine Luft mehr und versuchte, sich aus dem festen Griff zu befreien. Kædmons Gesicht wurde zu einer gequälten Fratze, als er den Mund öffnete.
    »Wehr dich nicht«, flüsterte er. »Zwing mich nich t … dich leiden zu lassen.«
    Sorhkâfaré wäre fast erstarrt.
    In Kædmons Mund sah er lange, spitze Zähne, an denen Blut klebte. Der Mund eines Menschen, aber mit den Reißzähnen eines Hundes oder Kobolds. Er stieß mit dem Messer zu, und die Klinge bohrte sich in Kædmons Arm, aber der Mann zuckte nicht einmal zusammen.
    Sorhkâfaré konnte noch immer nicht atmen, und das Bild vor seinen Augen trübte sich. Erneut stieß er mit dem Messer zu, und diesmal bohrte sich die Klinge in den Hals des Angreifers.
    Kædmons Kopf neigte sich kurz zur Seite, und dann erschien erneut sein bleiches Gesicht vor Sorhkâfaré, inzwischen kaum mehr als ein heller Fleck.
    »Das nützt dir nichts«, sagte Kædmon. Es klang fast wie ein Schluchzen. »Dafür ist es zu spät. Es tut mir leid.«
    Luft strömte durch Sorhkâfarés Nase.
    Er atmete tief ein, und dann würgte er plötzlich und keuchte, als er versuchte, erneut nach Luft zu schnappen. Er lag auf dem Boden, ohne sich daran zu erinnern, gefallen zu sein. Ein Schemen erschien über ihm und bückte sich.

Weitere Kostenlose Bücher