Dhampir
Ubâd im Stich, als er es brauchte. Vor dem inneren Auge sah Welstiel noch einmal, wie Chap dem alten Zauberer die Kehle zerfleischte.
Er drehte die warme Tasse in beiden Händen und beobachtete das Móndyalítko-Paar. Was er in jenem dunklen Wald gesehen hatte, machte ihn nachdenklich.
Waren Il’Samar und seine Traumherrin identisch? Wo auch immer sich das Wesen befand, das ihm in seinen Träumen erschien: War es imstande, direkten Einfluss auf diese Welt zu nehmen? Hatte es diese Gelegenheit hier genutzt, um ihm zu helfen? Durfte er diesmal auf sein Glück vertrauen?
Welstiel hatte von dem alten Paar alle Informationen bekommen, die es ihm geben konnte. Er stand auf und gab vor, den Futtersack öffnen zu wollen. Der alte Mann erhob sich ebenfalls.
Welstiel rammte ihm den Ellenbogen in die Brust, direkt unter dem Brustbein.
Der Alte krümmte sich zusammen und keuchte. Chane ließ seine Tasse fallen und packte die Frau an der Kehle.
»Warte!«, rief Welstiel, wirbelte herum und schmetterte die Faust an die Schläfe des Mannes, der daraufhin bewusstlos zu Boden sank und mit dem Gesicht auf dem Futterbeutel liegen blieb.
Die pulsierende Lebenskraft der Frau in Chanes Händen machte ihn halb wahnsinnig. Er drückte den Kopf der Móndyalítko so weit nach hinten, dass ihr Genick zu brechen drohte, öffnete den Mund und zeigte seine spitzen Eckzähne.
Sie röchelte voller Angst und bekam nicht genug Luft für einen Schrei. Chane biss unter dem Kiefer zu und begann sofort damit, Blut zu trinken.
Welstiel eilte herbei und stieß Chane von der Frau fort.
Chane taumelte zurück, und die Hand löste sich von der Kehle seines Opfers. Die Frau schrie, als seine Fingernägel blutige Striemen an ihrem Hals hinterließen.
Mit gefletschten Zähnen drehte er sich um, als Welstiel der Frau einen Schlag versetzte, die sie neben ihrem Mann zu Boden schickte.
»Ich habe gesagt, du sollst warten!«, rief Welstiel.
Chane näherte sich langsam, zornig und dazu bereit, seinem Reisegefährten die Kehle zu zerfetzen.
»Es gibt eine bessere Möglichkeit«, sagte Welstiel. »Gib gut acht.«
Etwas in seiner Stimme drang durch Chanes Hunger und ließ ihn innehalten.
Welstiel hob beide Hände. »Bleib da stehen.«
Er eilte zu seinem Pferd und entnahm dem Gepäck einen verzierten Kasten aus Nussbaumholz. Chane sah ihn jetzt zum ersten Mal. Welstiel kniete neben der bewusstlosen Alten, öffnete den Kasten und sah hoch.
»Wir können dafür sorgen, dass die von uns aufgenommene Lebenskraft länger reicht.«
Chane näherte sich, ging in die Hocke und brauchte seine ganze Selbstbeherrschung, um der Frau nicht erneut an die Kehle zu gehen. Neugierig blickte er in den Holzkasten.
Auf burgunderroter Polsterung ruhten drei handlange Eisenstangen, ein Messingnapf in der Größe einer Teetasse und eine kleine weiße Keramikflasche mit einem Stöpsel aus Obsidian. Welstiel nahm die Stangen, die in der Mitte eine Öse aufwiesen, und verband sie zu einem Dreibein. Er stellte den Messingnapf darauf und griff dann nach der weißen Flasche.
»Diese enthält dreimal gereinigtes Wasser, in einem extra dafür vorbereiteten Gefäß gekocht«, sagte er. »Wir werden die Flüssigkeit später ersetzen.«
Er zog den Stöpsel aus der Flasche, füllte den Napf bis zur Hälfte und drehte die Frau auf den Rücken. Chane widerstand nur mit Mühe der Versuchung, ihr die Zähne in den Hals zu schlagen.
»Blutvergießen ist eine sehr verschwenderische Methode der Nahrungsaufnahme«, sagte Welstiel, und seine Stimme schien aus der Ferne zu kommen. »Nicht auf das Blut kommt es an, sondern auf das darin enthaltene Leben. Pass gut auf.«
Er zog seinen Dolch und hielt die Spitze ins Blut, das der Frau aus der Nase lief. Als sich ein wenig Blut daran gesammelt hatte, hielt er die Klinge über den Napf. Ein Tropfen löste sich, fiel ins Wasser.
Welstiel sang leise, während sich das Blut in dem dreimal gereinigten Wasser verteilte. Die Veränderung begann so langsam, dass Chane sie zuerst gar nicht bemerkte.
Dann trocknete und verschrumpelte die Haut der Frau. Ihre Lider sanken nach innen, und die Wangenknochen zeichneten sich immer deutlicher ab. Der Körper schrumpfte, als das Leben ihn verließ. Das Herz schlug ein letztes Mal, und Chane hörte auf zu singen.
Der Napf war bis zum Rand mit einer so dunklen Flüssigkeit gefüllt, dass sie schwarz wirkte.
Welstiel hob den Messingnapf vorsichtig und bot ihn Chane an. »Trink die Hälfte. Der Rest ist für
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