Dhampir
… Léshiârelaohk.
Er war nicht sicher, ob er ihn laut wiederholen konnte, doch sein Klang hallte ihm durch den Kopf, als würde er erneut ausgesprochen von der älteren Frau und dem großen Krieger.
Der Geist vor ihm öffnete die Hand, und der Eschenzweig begann zu fallen.
Leesil ließ das Handgelenk los und griff nach dem Zweig.
Als er wieder hinsah, war die Lichtung leer, bis auf Sgäile, ihn selbst und das matte Glühen der nackten Esche.
Er sah keine Geister, nicht einen.
Leesil hielt den Zweig von Roise Chârmune in die Höhe.
20
Am Nachmittag des zweiten Tages hörte Magiere das Geräusch eiliger Schritte und riss den Vorhang im Eingang des Wohnbaums beiseite.
»Leesil?«
Sechs Anmaglâhk standen draußen, Osha ganz vorn, doch von Leesil oder Sgäile war nichts zu sehen.
»Es ist an der Zeit«, sagte Osha mit starkem Akzent.
»Wo ist Leesil?«, fragte Magiere. »Wie kann die Verhandlung ohne Sgäile weitergehen?«
»Du mitkommen«, drängte Osha.
Wynn warf sich Chanes Mantel über, als Chap aufstand, und sie folgten Magiere nach draußen.
Die Wächter umringten sie, während sie in Richtung der Versammlungslichtung durch Crijheäiche hasteten. Als Magiere an den Eichen mit den brückenartigen Ästen vorbeilief, wichen die nächsten Zuschauer vor ihr beiseite. Sie spürte neues Unbehagen und atmete tief durch, als sie Leesil und Sgäile bei Brot’an hinter dem Eichentisch sah.
Leesil streckte die Hand aus, und Magiere lief los. Ein Anmaglâhk wollte sie festhalten, aber Osha winkte ihn zurück.
Dunkle Ringe lagen unter Leesils Augen, doch er lächelte. Sein Musselinhemd und der Mantel waren feucht und schmutzig. Sgäile und er hatten nur die Hälfte der Zeit gebraucht, die Brot’an ihnen gegeben hatte; vermutlich waren sie die ganze Nacht gelaufen. Ihre Ausrüstung ruhte unter dem Tisch, aber Leesils spezielle Klingen lagen darauf, zusammen mit etwas, das unter einem weißen Tuch verborgen war.
»Weshalb die Klingen?«, fragte Magiere.
Leesil schüttelte den Kopf. »Sie waren hier, als ich eintraf. Offenbar hat Brot’an sie holen lassen.«
Brot’ans strenger Blick forderte sie beide auf zu schweigen.
Auf der anderen Seite der Lichtung hatten Fréth und der Älteste Vater ihren Auftrit t – wieder trugen vier Anmaglâhk den Sessel des uralten Elfen. Als er neben Fréths Tisch abgestellt wurde, beugte sich der Älteste Vater vor und blickte zu Leesil und Sgäile.
Sgäile, der ebenso erschöpft wirkte wie Leesil, trat vor. Das zerzauste Haar fiel ihm über die spitzen Ohren. »Die Verhandlung wird fortgesetzt. Die Vertretung der Angeklagten hat das Wort.«
Brot’an trat vor, und Sgäile wich zurück. Erwartungsvolle Stille breitete sich auf der Lichtung aus. Magieres Blick glitt über die Gesichter der Zuschauer und erreichte Gleann, dessen Lippen ein aufmunterndes Lächeln andeuteten.
»Ich rufe Osha von den Âlachben auf«, sagte Brot’an.
»Osha vom Steinhügel-Clan«, flüsterte Wynn Magiere ins Ohr.
Osha näherte sich, und Brot’an nahm Leesils in ihren Scheiden steckende Klingen. Er zog eine und hob sie hoch, damit sie alle sahen, wandte sich dann an Osha.
»Kannst du uns sagen, was dies ist?«, fragte er.
»Das ist eine von Leesils Waffen«, antwortete Osha ruhig.
Brot’an nickte in Richtung des Publikums. Osha räusperte sich und wiederholte die Worte.
»Es sind einzigartige Klingen«, fuhr Brot’an fort. »Weißt du, woher er sie hat?«
»Ich glaube, er ließ sie extra für sich anfertigen«, sagte Osha.
»Und zu welchem Zweck?«
»Um Untote zu vernichten, wie er sagte. Durch Enthauptung.«
»Unwichtig!«, rief Fréth. »Léshil steht nicht unter Anklage, und diese Waffen haben nichts mit den Beschuldigungen zu tun, um die es hier geht. Die Vertretung der Angeklagten soll bei der Sache bleiben.«
»Ich spreche durchaus zur Sache«, erwiderte Brot’an ruhig. »Und ich wäre der Vertreterin der Anklage dankbar, wenn sie mich dabei nicht unterbrechen würde. Da Sgäilsheilleache nicht aussagen kann, habe ich jemand anders aufgerufen.«
Magiere folgte Brot’ans fragendem Blick zu Sgäile.
»Einspruch zur Kenntnis genommen und abgewiesen«, entschied Sgäile. »Aber ich fordere den Fürsprecher der Angeklagten auf, sich zu beeilen und den Zusammenhang mit der Anklage deutlich zu machen.«
Wynn übersetzte, und Magiere fragte sich erneut, nach welchen Regeln verhandelt wurde. Brot’an schien einen gewissen Bewegungsspielraum bei seinen Fragen zu haben, aber
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