Dhana - Im Reich der Götter
Unsterbliche, so vorsichtig und leise sie
konnten, ans sandige Ufer. Die beiden Drachen, genau wie die Zentauren und
Riesen, zogen die Beiboote der Schiffe, die bis zum Rand mit Waffen und
Verpflegung beladen waren. Es schien, dass Sternenflügel Zaubersprüche kannte,
die unsichtbar und unhörbar machen konnten. Ozorne und seine Befehlshaber
wähnten sich sicher vor Angriffen aus dem Hinterhalt, da sie wussten, dass der
Wald nahezu unpassierbar war, und weil ihnen Magier mit Erfahrung im Entdecken
von Zaubersprüchen anderer Magier zur Verfügung standen. Die Drachen hatten der
Königin jedoch sofort versichert, dass kein Sterblicher oder Unsterblicher
Drachen-Zauber fühlen konnte. Da Thayet sich an alte Geschichten erinnerte, in
denen es hieß, dass Drachen, eingehüllt von ihrer Magie, unbemerkt durch Städte
wanderten, hatte sie das Angebot ihrer Hilfe angenommen.
Dhana seufzte. Sie selbst
würde nicht bei der Truppe sein. Ihre Aufgabe war es, als Kurier zwischen
Thayets Truppe und Legannhafen zu agieren. Diamantflamme selbst würde sie hin
und her tragen. In einem Packsack hatte sie Dinge dabei, die für den König und
Lord Imrah von Legannhafen hilfreich sein konnten:
Zauber-Spiegel, um die
Verbindung mit der Königin und ihren Generälen herzustellen, Landkarten mit den
Angriffsplänen sowohl für die Land-Truppe der Königin als auch für die Yamani-
Schiffe sowie Beschreibungen der äußerst vielschichtigen Zusammensetzung der
Helfer, die auf Tortalls Seite kämpften. Jemand tippte ihr auf die Schulter.
Als Dhana sich umdrehte, stand Königin Thayet vor ihr. Obwohl Mitregentin von
Tortall, trug sie die schlichte Uniform der Reiterei und hatte ihr krähen-
flügelschwarzes Haar zu festen Zöpfen geflochten. Nur der Helm, den sie unter
den Arm klemmte, trug ein königliches Signum, eine kleine, goldene Krone über
dem Visier. Sie hatte ein Säckchen aus weichem Leder bei sich, das sie Dhana
überreichte. Als Dhana es annahm, merkte sie, dass es etwas Schweres in der
Größe eines Hühnereis enthielt. »Wenn du das bitte König Jonathan übergeben
würdest, wäre ich dir sehr verbunden«, sagte die Königin zu Dhana. »Und richte
ihm aus, ich hätte gesagt, wenn er sich das nächste Mal in unsere umkämpften
Städte begibt, sollte er das Reichs-Juwel lieber gleich mitnehmen. Ich weiß
nicht, wie man das verflixte Ding handhabt!«
»Du weißt, er gebraucht es
nicht gern.« Harailt von Aili, der oberste Magier an Tortalls Königlicher
Universität, trat zu ihnen. »Er möchte nicht zu sehr davon abhängig sein.«
»Nachdem eine feindliche Flotte von den Kupferinseln zu uns unterwegs ist,
brauchen wir jede Hilfe, die wir bekommen können«, sagte Thayet ungerührt. Sie
küsste Dhana auf die Wange. »Viel Glück«, flüsterte sie, dann stieg sie ins
Beiboot. Harailt folgte ihr. Über die Reling gelehnt, winkte Dhana dem Dachs
und Goldstreifchen zu, die sich schon im Boot befunden hatten, als es vom
Schiff heruntergelassen wurde. Sie blieben bei der Königin und ihren Generälen,
um durch die Finsterlinge, die sie noch bis vor kurzem ausspioniert hatten,
Botschaften an die Kommandanten zu überbringen.
Dhana drehte Thayets
Lederbeutel in ihren Händen. Sie hatte Legenden gehört, wonach König Jonathan
durch dieses Juwel alle Pflanzen und Steine bitten konnte sich zu erheben und
das Reich zu verteidigen. »Ich glaub's erst, wenn ich es sehe«, murmelte sie.
Sie band sich die langen Verschlusskordeln um den Hals und stopfte den Beutel
in ihr Hemd. Sie schaute zum Ufer hinüber. Sie wollte endlich los!
»Kummer wegen des
Storchenmannes?«, erkundigte sich Rikash, der sich auf dem Geländer neben ihr
niederließ. Er grub seine Stahlklauen ins Holz. »Ihm passiert schon nichts.
Magiern passiert selten etwas.«
»Mir wäre wohler, wenn ich
hier bleiben könnte, um auf ihn aufzupassen.«
»Dann bleib.«
»Ich kann nicht«, antwortete
Dhana kopfschüttelnd. »Ich will bei Kätzchen sein, wenn der große Kampf
beginnt. Im Drachenland habe ich erkannt, dass sie eigentlich noch ein Baby
ist. Sie müsste an einem sicheren Ort sein. Da das nicht geht, muss ich so viel
wie möglich bei ihr sein.«
»Ich bin zu Tränen gerührt«,
sagte der Unsterbliche gedehnt. »Hast du ein bisschen Sand im Kopf?«, fragte
sie gereizt. »Ein Schluck Öl könnte ihn zu dem Ende rausspülen, das bei dir das
Denken übernimmt.«
Zu ihrer Überraschung lachte
er. »Geschieht mir recht. Nichts für ungut.« Er schwieg, spannte seine
Weitere Kostenlose Bücher