Diablo III: Sturm des Lichts (German Edition)
Pläne haben sich gewandelt.“
Nach diesen Worten schwieg die dunkle Gestalt mehrere Sekunden lang, doch Balzael wartete geduldig, denn er wusste, dass er den Wächter nicht drängen durfte. Er würde fortfahren, wenn er dazu bereit war.
Schließlich flackerte die robengewandete Gestalt, und wieder hörte man das gedehnte Zischen.
„Tyraels Vorhaben könnte uns nützlich sein.“
„Ich – ich verstehe nicht …“
„Der Stein beeinflusst den Rat nicht schnell genug“, erklärte der Wächter. „Doch der Angriff auf das Volk von Sanktuario kann nicht länger warten. Du musst zulassen, dass Tyraels Horadrim den Stein an sich ziehen. Sieh selbst, was wir so gewinnen!“
Das Antlitz unter der Kapuze waberte, dann löste es sich auf, und Balzael schien geradewegs in seine Leere zu stürzen, sich überschlagend durch Schwärze zu fallen, hinein in ein Netz aus Albträumen und Schreckensbildern. Er sah Tyrael und die Horadrim, wie sie den Stein aus den Himmeln stahlen, doch dann wurde er ihnen ebenso schnell wieder entrissen. Einen Moment später brandete eine Woge aus Furcht und Blut und Flammen über ihn herein, und die Schreie der Menschheit malträtierten seine Ohren wie eine grausige Symphonie, vom Wächter mit fähiger Hand dirigiert. Er hörte reißendes Fleisch, berstende Knochen. Und dann brach Sanktuario in sich zusammen, bis nichts von ihm übrig war als Totenstille und Leere.
Balzael schwebte noch eine Weile über diesem Nichts, während er mit Hilfe des Wächters die einzelnen Fäden verband, einen nach dem anderen, bis er schließlich begriff, was geschehen musste.
Als er wieder zu sich kam, lagen die Becken der Weisheit einmal mehr still und leblos; der Brunnen war wieder leer, alle Spuren des Wächters verschwunden. Doch er hatte Balzael das Ende Sanktuarios und Unzähliges mehr gezeigt, und der Weg zum Triumph war nun fest in den Geist des Luminarei gebrannt. Tyrael mochte ihn und den Sicarai an der Nase herumgeführt haben, doch alles, wofür er kämpfte, war bereits verloren. Balzael wusste nun, was er tun musste, um das unausweichliche Ende herbeizuführen.
Doch erst bedurfte es einer Reihe sorgsam orchestrierter Ereignisse. Fürwahr, er hatte keine Zeit zu verlieren!
neunundzwanzig
Die Hohen Himmel
Jacob schritt als Erster durch das Portal. Er hatte geglaubt, er wäre auf jedes mögliche Szenario vorbereitet, doch die Gefühle, die er nun spürte, überraschten ihn. Es war ein physischer Schmerz, ein dumpfes Pochen in seinen Knochen, als stünde er direkt unter einem tosenden Wasserfall.
Einen Moment später begriff er, dass er die Augen fest zugekniffen hatte, um nicht sehen zu müssen, wie die Welt unter seinen Füßen sich auflöste. Das brachte ihn zwar aus dem Gleichgewicht, war aber nichts verglichen mit dem, was ihn erwartete, als er sie schließlich wieder öffnete und sich umblickte.
Er stand am Rande einer endlosen Ebene aus Licht und Klängen. Helligkeit brannte in seinem Kopf wie schillerndes Licht auf geschliffenem Glas, doch dieses Licht war weder warm noch freundlich. Die Luft war trocken, leblos, kalt. Jacob war überzeugt gewesen, nach dem Ödland gegen alles gewappnet zu sein, doch nichts hätte ihn auf diesen Ort hier vorbereiten können. Seine Ohren fühlten sich an, als wären sie verstopft mit Watte, sein Mund war staubtrocken, und als er sich mit der Zunge über die Lippen fuhr, waren sie spröde und rissig. Schweiß rann ihm den Nacken herab und jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Jedes Mal, wenn er blinzelte, fühlte es sich an, als bestünde die Innenseite seiner Lider aus Schleifpapier. Der Dunst ringsum ließ seine Sicht verschwimmen, als wäre er unter Wasser, während er sich zu den anderen wandte, die jetzt hinter ihm aus dem Portal traten.
Sie zuckten zurück unter der Intensität des Lichts und öffneten die Augen gerade weit genug, um sich umblicken zu können. Jacob versuchte etwas zu sagen, doch ihm versagte die Stimme. Alles hier war größer und überwältigender als es im ersten Moment schien; jeder Eindruck wurde einen Moment später um das Zehnfache übersteigert, bis das Gewicht der Anblicke ihn zu erdrücken drohte.
Kurz darauf erklang das Wispern.
Zunächst hielt der Abenteurer es für das Zischen, mit dem etwas Schweres sich über den Boden wand, vielleicht ein mächtiges Reptil. Er kniff die Augen zusammen und versuchte, in die Ferne zu blicken. Wege aus zermahlenem Stein wanden sich durch die Ebene und führten von einer
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