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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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die wenigen Auslagen der kleinen Läden wirkten düster und trotz eingeschalteter Beleuchtung lange vergessen und von keiner Menschenseele mehr beachtet. Eine Stadt wie Arc´s Hill lieferte den idealen Nährboden, um unheimliche Mythen wie die Legende der alten Keeza gedeihen zu lassen und von Generation zu Generation weiter zu tragen.
    Ich fragte mich, ob jene dunkle Gasse, die ich in meinem schrecklichen Traum der Nacht besucht hatte, hier ihren Ursprung hatte. Zwischen den kauernden und bemoosten Häusergiebeln schlängelten sich zahllose, tote Pfade hindurch, die kaum vom Tageslicht erhellt wurden. Welche dieser beengten, schweigenden Gassen mochte mein Nachtmahr sein?
    Ich spürte einen kalten, kränklichen Schauer auf meinem Körper, der nicht vom tristen Wetter herrührte, als ich einen kleinen Platz erreichte, der idyllisch eingebettet inmitten der verlassen wirkenden Häuser schlummerte. Am Rand des Platzes befand sich ein altertümlicher, aus schmiedeeisernen Pfannen und kupfernen Rohren erbauter Brunnen, durch dessen marode Leitungen kläglich ein schmaler Strom Wasser floss. Das Plätschern des Rinnsals verlor sich in der unnatürlichen Stille des Örtchens.
    Rings um die alte Brunnenanlage mit ihrer steinernen Umfriedung standen einige Holzbänke. Und auf einer der Bänke saß die alte Mrs. O´Shannon. Sie saß da, ebenso reglos wie das grauenvolle Gemälde der Stadt um sie herum, und starrte mit ausdruckslosem Gesicht auf den trostlosen Brunnen. Einzig ihre Hände, die ruhelos miteinander spielten, zeugten von Leben an diesen Ort.
    Als mich die alte Dame erblickte, hellte sich ihre Mine auf, und sie winkte mich zu sich heran. »Setzen Sie sich zu mir, Mr. Pierce«, rief sie und deutete auf den Platz neben sich.
    »Guten Morgen, Elaine.« Ich erinnerte mich, dass sie mir am Abend zuvor die Erlaubnis gegeben hatte, sie beim Vornamen zu nennen.
    Als ich mich neben ihr auf der Bank niederließ, bemerkte ich voller Grauen wie seltsam hohl unsere Stimmen innerhalb der schweigenden Mauern des Städtchens wirkten. Es erschien mir geradeso, als würden unsere Worte sich in einer niedrigen Felsenhöhle ohne Eingang verlieren.
    Ich bemerkte, dass mich Mrs. O´Shannon kritisch musterte.
    »Sie haben nicht gut geschlafen, habe ich Recht?«
    Ihre Frage hatte den Beiklang einer unwiderruflichen Feststellung. Sie wartete auch gar nicht meine Antwort ab, ehe sie weitersprach: »In Arc´s Hill schläft man nicht gut«, sagte sie leise und faltete die Hände in ihrem Schoß, als würde sie sich einem stillen Gebet hingeben. »Ich hätte Sie gestern Abend warnen sollen.«
    Ich schüttelte den Kopf und versuchte meine Stimme rege und lebhaft klingen zu lassen. In Wahrheit war mein Kopf immer noch ausgefüllt mit den seltsamen Visionen und dem unheimlichen Gelächter, die mich in der Nacht heimgesucht hatten.
    »Ich denke, es lag wohl an der klimatischen Umstellung, dass ich so schlecht geschlafen habe«, begann ich, bemerkte jedoch an den Augen meines Gegenübers, dass die alte Dame keinem meiner Worte Glauben schenken wollte. »In einem Städtchen wie Arc´s Hill ist die Luft um einiges klarer und sauberer als in London. Ich glaube, meine Lungen brauchen ihre Zeit, sich an diese neuen Umstände zu gewöhnen.« Ich lachte, doch klang mein Lachen wie ein verzweifeltes Stöhnen.
    Mrs. O´Shannon schüttelte mit ernster Miene den Kopf.
    »Sie haben von Ihr geträumt, richtig?«
    Ich spielte mit dem Gedanken, mich ahnungslos zu stellen, doch erinnerte ich mich rechtzeitig des Gespräches, das ich mit der Dame am Abend zuvor in der Pension geführt hatte.
    »Ich weiß nicht, ob ich von Ihr geträumt habe. Aber Sie haben Recht; ich habe von einer alten Frau geträumt.«
    Ich hatte den unbestimmten Eindruck, als würde sie wie unter einem schweren Gewicht zusammensinken. Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als sie nachdenklich über den seltsamen Brunnen hinweg zu den dunklen Fenstern der ersten Häuser blickte.
    »Diese alte Frau …« Ihr Blick glitt ins Leere. Ich fragte mich zum wiederholten Male, wie es möglich sein konnte, dass eine Stadt ohne jegliche Geräusche existieren konnte. Das leise Plätschern des Brunnens – nicht mehr als ein höhnisches Flüstern – war alles, was uns von vollkommenem, totenähnlichem Schweigen trennte. »Diese alte Frau aus Ihren Träumen … das war Keeza.«
    Ich dachte an Marks Aufzeichnungen und daran, was ich der alten Dame am Abend zuvor berichtet hatte. Meine Worte, die

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