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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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läge mir ferner als …
    Sie verschloss meine Lippen mit Zeige- und Mittelfinger ihrer linken Hand, und sagte: »Später …«, flüsterte, mehr mit den Augen denn mit dem Mund, ihre Lider waren die wahren Lippen, die die Worte formten: »Du kommst wieder …«

    Ich kam wieder. Und wieder.
    Auf Umlaufbahnen näherten wir uns einander an. Dabei war es gänzlich ohne Belang, ob wir allein oder andere Besucher zugegen waren. Manchen Nachmittag, an dem niemand außer mir den Weg ins Museum gefunden hatte, brachte sie damit zu, mich gar nicht zu kennen, nicht einmal ein Blick von ihr wurde mir zuteil, an anderen, an denen sich gleich mehrere Besucher eingefunden hatten, richtete sie schon wenige Minuten nach meinem Eintreten das Wort an mich.
    Dann wieder sahen wir uns an, legten gemeinsam durch einen Austausch eindeutiger Blicke für diesen Nachmittag die Modalitäten unserer Begegnung fest, umkreisten einander geraume Zeit, ehe sie mein Interesse für irgendein besonderes Stück zum Anlass nahm, mich in die Geschichte des betreffenden Exponates einzuweihen und so ein unverfängliches Gespräch mit mir zu beginnen.
    Ich mochte ihre sachlichen Erläuterungen. Streng enthielt sie sich, ihren Worten durch Tonfall, Färbung der Stimme, Modulationen der Sprechmelodie oder durch Umgewichtungen einzelner Wörter innerhalb der Satzstellung eine Botschaft an mich unter zu mengen.
    Hin und wieder fügte sie den Erläuterungen über ein Ausstellungsstück eine flüchtige, eine unendlich flüchtige Berührung hinzu, doch wollte ich sie erwidern, streckte die Hand der ihren entgegen oder trat einen Schritt näher – zu nah – an sie heran, zog sie sich sogleich zurück, als wäre sie zu früh zu weit gegangen und wollte mich daran hindern oder davor bewahren, es ihr gleichzutun.
    Gelegentlich spielten wir Fremde, die einander zum ersten Mal begegneten, das heißt: Wir spielten unsere allererste Begegnung nach, und die Reproduktion des Beginns unseres Verhältnisses übte auf mich einen großen Reiz aus. Dann wieder benahmen wir uns wie Freunde, gute Freunde, die einander schon lange kennen. Wir hätten Nachbarn sein können, ehemalige Arbeitskollegen, uns auf einer Party begegnet sein.
    Einige Nachmittage lang gefiel es uns, vor anderen Besuchern – ihre Anwesenheit waren für diese Spielart unseres Begegnens unabdingbare Voraussetzung – eine innige Vertrautheit zu markieren, die – jeder konnte es merken – weit über ein freundschaftliches Verhältnis hinausging. Beim nächsten Mal dann empfing sie mich mit kühler Distanziertheit.
    Noch war unser Verhältnis, so bildete ich mir jedenfalls ein, ein Zimmer mit zwei Ausgängen, durch die wir es in verschiedene Richtungen jederzeit verlassen konnten. Die Türen waren nur angelehnt. Innerhalb der Wände aber herrschte ein schwelgerisches Selbstvergessen.

    Oft wenn ich nach meinen Aufenthalten in der Stadt, wenn ich aus meinem Parallelleben nach hause kam und neben Judith auf der Couch saß, nein: neben ihr zu sitzen kam , und einen Seitenblick auf ihr vom Fernsehbildschirm angestrahltes Gesicht warf [viel öfter als früher schaltete sie das Gerät ein], empfand ich eine gemeine Zufriedenheit, eine Behaglichkeit, die mich meinen Arm um ihre Schultern legen ließ, ja, die – blanker Übermut manchmal, manchmal demütigendes Mitleid – mich sogar veranlasste, sie an mich zu ziehen, um sie an meiner Zufriedenheit, deren Ursache sie nicht war, teilhaben zu lassen.
    Mein Einfallsreichtum, mir Gelegenheiten zu schaffen, in die Stadt zu fahren und dort über Nacht – und bald schon über mehrere Nächte – zu bleiben, war unerschöpflich. Ich verachtete Judith dafür, dass sie all meine Vorwände, meine Ausreden, meine Alibis glaubte. Noch mehr verachtete ich sie aber dafür, dass sie sie glauben wollte . Ihres verzweifelten Bemühens gewahr werdend, an keinem meiner Worte zu zweifeln, überkam mich ein Anflug von Zärtlichkeit für sie.
    Ich beobachtete uns beide wie einer, der bei einem Paar in der Krise zu Besuch ist, sich unbefangen gibt, arglos, doch stets darauf bedacht, jede Situation zu vermeiden, die zu einer Eskalation der Spannungen führen könnte, um nicht betretener Zeuge einer Auseinandersetzung zwischen den Gastgebern zu werden. Durch jene Sichtweise fühlte ich mich mit ihr – wie entwürdigend dies heute klingt! – neu und anders verbunden. In meiner Posse von Freiheit und Glück spielte meine Frau eine Rolle, die mit niemand anderem als ihr besser zu

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