Diabolus
Numataka stand das außer Zweifel. Im digitalen Zeitalter war Vertraulichkeit ein Begriff von gestern geworden. Alles wurde inzwischen irgendwo gespeichert. Die Telefongesellschaften registrierten genauestens, wer wen wann angerufen und wie lange das Gespräch gedauert hatte.
»Tun Sie das!«, ordnete er an.
»Unterrichten Sie mich sofort, wenn Sie etwas erfahren.«
KAPITEL 34
Susan saß in Node 3 und wartete auf das Ergebnis ihres Tracers. Sie war allein. Hale war nach draußen gegangen, um etwas Luft zu schnappen - wofür sie ihm sehr dankbar war. Gleichwohl wirkte die Einsamkeit in Node 3 auf Susan deprimierend. Die neu entdeckte Verbindung zwischen Hale und Tankado ließ sie nicht mehr los. Wer überwacht die Wächter?, sagte sie zu sich selbst. Quis custodiet ipsos custodes? Der Spruch spukte ihr pausenlos im Kopf herum, bis sie ihn endlich mit aller Macht aus ihrem Bewusstsein verdrängte. Sie dachte an David. Hoffentlich ging es ihm gut. Sie hatte immer noch Schwierigkeiten mit der Vorstellung, dass er in Spanien war. Je schneller die Schlüssel gefunden wurden und die Sache zu Ende gebracht werden konnte, desto besser. Susan hatte das Gefühl dafür verloren, wie lange sie schon hier saß und auf den Tracer wartete. Zwei Stunden? Oder drei? Sie schaute hinaus in die verlassene Crypto-Kuppel und wünschte sich, dass ihr Terminal endlich piepste, aber alles blieb still. Die Spätsommersonne war untergegangen. Die automatisch gesteuerten Leuchtstoffröhren an der Decke waren angesprungen. Susan spürte, dass ihr die Zeit allmählich davonlief. Sie schaute auf ihren Bildschirm.
»Nun komm schon, du hast genug Zeit gehabt«, murrte sie, nahm die Maus und klickte sich durch ins Statusfenster.
»Wie lang bist du denn schon unterwegs?« Sie öffnete das Fenster, in dem ähnlich wie bei der Betriebsanzeige des TRANSLTR eine digitale Uhr die Stunden und Minuten anzeigte, die der Tracer unterwegs war. In Erwartung der Zeitanzeige beobachtete Susan ihren Monitor. Aber sie bekam etwas völlig anderes zu sehen. Der Anblick ließ ihr das Blut in den Adern stocken:
TRACERPROGRAMM ABGEBROCHEN
»Programmabbruch?«, schrie sie auf.
»Wie das?« In plötzlicher Panik durchsuchte Susan ihre Daten nach einem Befehl, der irrtümlich einen Programmabbruch verursacht haben konnte. Der Programmabbruch schien von selbst geschehen zu sein. Susan wusste, dass das nur eines bedeuten konnte: Das Tracerprogramm hatte einen Fehler, einen »bug«, wie es auf Englisch so schön hieß. Für Susan waren »bugs« das Lästigste, was beim Programmieren auftreten konnte. Da Computer sklavisch an eine präzise Abfolge von Operationen gebunden waren, konnten kleinste Programmierungsfehler zu massiven Störungen führen. Simple syntaktische Fehler, zum Beispiel ein Komma zu setzen, wo ein Punkt hingehört hätte, konnten ganze Systeme zum Absturz bringen. Susan musste über den Ursprung der Bezeichnung »bug« immer noch lächeln. Sie entstand im Zusammenhang mit dem ersten Computer der Welt, einem zimmergroßen Gewirr von elektromechanischen Schaltkreisen, dem Mark 1, der im Jahr 1944 in einem Laboratorium der Harvard Universität zusammengebaut worden war. Eines Tages hatte der Computer plötzlich eine Macke, auf die sich niemand einen Reim machen konnte. Nach stundenlanger Suche hatte eine Laborhilfskraft das Problem endlich lokalisiert. Ein Käfer, eben ein »bug«, war auf eine Lötstelle des Computers gekrochen und hatte einen Kurzschluss verursacht. Von diesem Moment an hießen Computermacken im englischen Sprachraum »bugs«. Die Suche nach einem »bug« in einem Computerprogramm konnte Tage dauern. Oft mussten Tausende von Programmzeilen nach einem möglicherweise winzigen Fehler durchsucht werden. Es war, als müsse man in einem vielbändigen Lexikon einen einzigen Druckfehler suchen. Dazu hast du jetzt keine Zeit, schimpfte Susan. Somit blieb nur eine Möglichkeit - den Tracer auf Verdacht noch einmal losschicken. Sie wusste, dass sich dabei der gleiche Fehler erneut einstellen und zum Programmabbruch führen konnte, aber den Fehler zu eliminieren hätte Zeit gekostet, die sie und der Commander jetzt nicht hatten. Während sie noch auf den Bildschirm starrte und herumrätselte, was sie falsch gemacht haben könnte, fiel ihr auf, dass etwas nicht zusammenpasste. Erst letzten Monat hatte sie eben jenes Tracerprogramm benutzt und keinerlei Schwierigkeiten damit gehabt. Wo sollte der Fehler so plötzlich hergekommen
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