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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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eine stattliche Lebensversicherung auf seinen Enkel abgeschlossen hatte.
    »Nein, der Ruf erreicht einen im Traum. Oder ein anderer curandero sieht es, so wie die Leiden gewöhnlicher Menschen.« Er signalisierte mir, rechts abzubiegen.
    »Apropos, wie geht es eigentlich meiner Brustwunde?«
    »Deiner schwarzen Blume?« Er starrte mich konzentriert an. »Sie ist kleiner geworden, fast ganz weg.«
    Ich grunzte nachdenklich. »Das sagst du jetzt doch nur, um nett zu sein, weil wir in Kürze sterben könnten, oder?«
    Er grinste. »Ich werde nicht sterben.«
    Wir erreichten ein verbeultes Stoppschild, und ich hielt an. »O Gott. Falls ich sterben werde, sag es mir bloß nicht.« Kurzer Blick nach links, dann wieder rechts abbiegen. »Und was ist mit ihr?« Ich nickte in Richtung Rücksitz.
    »Sie ist wie eine Wolke, bei ihr kann ich überhaupt nichts erkennen. Aber solche Menschen habe ich schon öfter gesehen. Es bedeutet, dass bei ihr noch nichts entschieden ist.«
    »In welcher Hinsicht?« Schwer vorstellbar, dass dieser alten Frau noch große Entscheidungen bevorstehen sollten. Offensichtlich hatte sie weder ein Heim noch einen Geliebten oder einen gesicherten Rentenplan.
    »Keine Ahnung. Sie würde es mir wohl auch nicht sagen, wenn ich sie frage. Hier parken wir.«
    »Großartig, einfach großartig.« Neben einer schmalen Gasse lenkte ich den Wagen an den Bordstein. »Ist das eine dieser Ecken, wo man auch gleich die Schlüssel stecken lassen kann?«
    Irritiert musterte Olympio mein Auto. »Du hast doch sowieso nichts hier drin, was sich zu stehlen lohnt.«
    »Auch wieder wahr. Also gut, dann alle Mann an Deck.«
    »Was soll das jetzt heißen?«
    Ich zeigte mit dem Daumen nach draußen. »Das ist unsere Haltestelle, alles aussteigen.«
    Die Sonne senkte sich langsam Richtung Horizont. Ich signalisierte den beiden, kurz zu warten, während ich Asher schnell eine SMS schickte. Das hätte ich eigentlich schon früher tun sollen, aber ich ging davon aus, dass er mich auch zur heutigen Mission nicht mitgenommen hätte – und uns drei Musketiere erst recht nicht.
    Bin in Tecato Town. Montalvos Knochenraum liegt wahrscheinlich unterirdisch. Habe Führer dabei. Ich sollte lieber nicht zu sehr ins Detail gehen. Dann warf ich Olympio einen prüfenden Blick zu. »Bist du dir wirklich sicher, dass du mitgehen willst?« Die Alte konnte tun und lassen, was sie wollte, aber der Junge … Mir wäre wohler gewesen, wenn ich ihn irgendwie dazu bringen könnte, hierzubleiben. Ich hatte als Kind auch nicht groß die Wahl gehabt, aber mir hatte immerhin niemand prophezeit, ich sei zu Höherem bestimmt. Olympio hatte wirklich Besseres verdient.
    Er nickte knapp. »Ganz sicher.«
    »Alles klar. Welche Richtung?«
    »Da lang«, entschied er und ging voran.
    Wir schlängelten uns zwischen den Planen hindurch, die von den tecatos aufgehängt worden waren, um den Regen abzuhalten. Dichter Qualm von feucht brennenden Feuern hing in der Luft. Dürre Gestalten kauerten bei den Flammen und pusteten immer wieder in die Glut, um sie am Leben zu erhalten. Über ihren Köpfen hingen nasse Socken. Die Alte konnte erstaunlicherweise mühelos mit uns Schritt halten.
    Schließlich erreichten wir den breiten Zementgraben, auf dessen Grund nun ein schlammiger Strom vorbeizog. Dieses Mal befanden wir uns näher an den Tunneleingängen als bei unserem letzten Besuch. Ich konnte sie vor uns sehen und hören, wie das Wasser in der Dunkelheit rauschte.
    »Bist du bereit?«, fragte Olympio.
    »Bereiter geht’s nicht«, erwiderte ich spöttisch und versuchte, wie ein Actionheld zu klingen. Olympio schnaubte kurz, dann machten wir uns an den Abstieg.
    Ich hatte keine Zeit, mich nach der Alten umzusehen, denn ich musste mich ganz auf meine Füße konzentrieren – diese Betonböschung war verdammt steil. Nach dem Regen waren die Wände noch dazu rutschig, wodurch ich irgendwie das Gefühl bekam, wir würden in einen riesigen Mund hinabklettern.
    Gleichzeitig mit Olympio kam ich unten an und landete platschend im Wasser. Hätte ich das bereits am Nachmittag geahnt, als ich das Haus verließ, wären Gummistiefel das Schuhwerk meiner Wahl gewesen. Ein Plätschern in meinem Rücken verriet mir, dass auch die Alte angekommen war. Zum Glück war sie nicht abgestürzt.
    »Welcher Tunnel?«, schrie ich. Das Wasser machte einen Heidenlärm, als es über das verrostete Metall strömte.
    »Weiß ich nicht! Was sagt dir dein Bauchgefühl?«, brüllte Olympio

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