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Diagnose zur Daemmerung

Diagnose zur Daemmerung

Titel: Diagnose zur Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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Kaffee zu gönnen und trotzdem pünktlich um neun bei meinem Begleitschutz Hector anzukommen. Als ich mich dabei erwischte, wie ich innerlich seinen Namen trällerte, schnaubte ich angewidert. Die Zeiten für Schulmädchenphantasien waren nun wirklich vorbei! Immerhin hatte ich es geschafft, meine Libido sieben Monate lang im Schrank einzusperren. Da würde ich es auch noch eine Weile länger hinkriegen. Nichts hatte sich geändert, gar nichts. Entschlossen zog ich mir Sachen an, bei denen es egal war, ob sie durch Farbspitzer versaut wurden, und ging zur Hochbahn.
    Am Wochenende war die Fahrt um diese Zeit fast schon angenehm. Der Zug war halb leer – die nächsten beiden Stationen hatten keine spannenden Ausflugsziele zu bieten, zumindest nicht an einem heißen Juliwochenende. Die meisten Leute blieben bei diesem Wetter daheim, sperrten sich mit ihrer Klimaanlage ein oder postierten sich vor dem offenen Kühlschrank. Beim zweiten Halt stieg ich aus und lief die drei Blocks bis zu dem Café. Dort entdeckte ich in einer Nische eine Frau in Klinikgrün, die mir allerdings den Rücken zuwandte.
    Ich reagierte immer gleich, wenn ich Menschen in OP-Kleidung sah: Ich musste um jeden Preis herausfinden, ob ich sie kannte. Möglichst unauffällig schlenderte ich an dem Tisch vorbei und spähte über die Schulter. Tatsächlich, sie war keine Fremde. Dort saß Gina und verstaute gerade ihr Portemonnaie in ihrer Handtasche. Seit sieben Monaten hatte ich sie nicht mehr gesehen. Unwillkürlich musste ich grinsen.
    »Was treibt dich denn so früh aus den Federn?«, fragte ich neckend. Da Gina mich offenbar nicht gehört hatte, klopfte ich mit den Fingerknöcheln auf ihren Tisch und winkte. »Hey! Was machst du hier?«
    Ruckartig hob sie den Kopf. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich die Müdigkeit nach einer langen Nachtschicht. Hastig legte sie eine Hand auf das Trinkgeld, das sie der Kellnerin hingelegt hatte, fast so als befürchtete sie, ich wollte es stehlen. »Frühstücken.«
    »Gina …« Mein Blick blieb an ihrem Dienstausweis von Y4 hängen. Mit der freien Hand tastete sie danach und schob ihn in die Brusttasche ihres OP-Hemds. »Wie geht’s denn so?«, fragte ich weiter.
    »Was geht Sie das an?« Aggressiv schob sie das Kinn vor, und ihre Ponyfransen tanzten.
    »Gina …«
    »Nur weil Sie einen Dienstausweis entziffern können, sind wir noch lange keine Freunde.«
    »Erinnerst du dich denn nicht an mich?«
    Ihre Stirn legte sich in tiefe Falten. »Nein, sollte ich?«
    Ich blinzelte entsetzt. O nein. Ich hatte die Schatten gebeten, dass sie mein Erinnerungsvermögen unangetastet lassen sollten – hatten sie etwa stattdessen das aller anderen manipuliert?
    »Tut mir leid … ich muss Sie wohl mit jemandem verwechselt haben«, sagte ich schnell. Gina sollte sich nicht den Rest des Tages fragen müssen, wen die Schatten ihr da gestohlen hatten; das war es nicht wert. Schließlich hatte ich darauf bestanden, mich weiter erinnern zu können. Und ich glaubte nicht, dass Gina sich freiwillig dazu entschieden hätte, mich zu vergessen.
    Sie entspannte sich wieder. »Schon okay.« Ich trat von ihrem Tisch zurück, sie rutschte von der Bank und ging zur Tür.
    Während ich ihr nachsah, stiegen so viele Erinnerungen in mir auf. Früher waren wir richtig gute Freundinnen gewesen. Ich hatte ihr ein paarmal aus der Patsche geholfen, und wir hatten einander vertraut. Aber jetzt … erkannte sie mich nicht einmal mehr.
    Ich wünschte, ich hätte mir ihren Ringfinger genauer angesehen, um herauszufinden, ob ihr Freund der Wer-Bär endlich um ihre Hand angehalten hatte. Mir blieb nur die Hoffnung, dass sie ohne mich glücklich wurde.
    »Hätten Sie gerne einen Tisch, Miss? Der da drüben ist schon sauber.« Vor mir tauchte ein Kellner auf und deutete auf die nächste Nische.
    »Ja, gut.« Neben dem Tisch, den er mir angeboten hatte, blieb ich stehen. Mich jetzt allein da hinzusetzen, so kurz nachdem ich Gina gesehen hatte … das wäre nicht gut für mich. Schnell tippte ich dem Kellner auf die Schulter, bevor er wieder verschwinden konnte. »Ich habe es mir anders überlegt – einen Kaffee zum Mitnehmen, bitte.«
    Schon vor neun erreichte ich die Haltestelle an der Divisadero. Die Tatsache, dass Wochenende war, hatte auf das Treiben am Markt keinerlei Einfluss; es waren sogar noch mehr Verkäufer und Kunden da.
    Es kam mir blöd vor, zu warten, und weil zwei Blocks auch keine so lange Strecke waren, schob ich mich durch die Menge. In

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