Diamantene Kutsche
bis auf die schrägen Augen und den geringen Wuchs.
In der kurzfingrigen Hand glimmte eine dicke Zigarre, der enorme Bauch war in eine leuchtendrote Seidenweste gezwängt, auf der Krawatte funkelte eine riesige schwarze Perle.
»Oho, mein russischer Freund!« rief Don schallend. »Herzlich willkommen in der Höhle eines alten Junggesellen! Unvergleichliche Obayashi-san, yoku irasshaimashita 1 ! Und das muß Ihr Stellvertreter sein, den Sie so ungeduldig erwartet haben. Was für ein schöner Mann! Ich fürchte, meine Mädchen werden seinetwegen auf die Umerziehung verzichten!«
Eine heiße Pranke preßte Fandorins Hand, und damit war die Vorstellung beendet. Tsurumaki stürzte sich mit einem freudigen Ausruf auf einen amerikanischen Kapitän und umarmte ihn.
Ein interessantes Subjekt, dachte Fandorin und schaute sich um. Ein wahrer Elektrodynamo.
Im Saal spielte ein Orchester, das die zweifelhafte Qualität durch Getöse und Bravour kompensierte.
»Unsere freiwillige Feuerwehr«, kommentierte Doronin. »Als Musikanten taugen sie nicht viel, aber andere gibt es in der Stadt nicht.«
Die Gäste schwatzten fröhlich, standen in Grüppchen herum, schlenderten über die Terrasse und bedienten sich an den langen Tischen. Fandorin staunte über die Vielzahl von Fleischspeisen – diverse Schinken, Würste, Rostbeaf, Wachteln, Schweinshaxen.
Doronin erklärte: »Die Japaner waren bis vor kurzem Vegetarier. Fleisch essen gilt hier als Zeichen von Aufgeklärtheit undFortschritt, wie bei unseren Aristokraten das Trinken von Kumys und das Kauen von Getreidekeimen.«
Die meisten männlichen Gäste waren Europäer und Amerikaner, bei den Frauen dagegen überwogen die Japanerinnen. Einige trugen Kimono, wie Obayashi, andere, wie O-Yumi, waren westlich gekleidet.
Eine bunte Schar schöner Damen hatte sich um einen dürren, zappligen Herrn versammelt, der irgendwelche Bilder demonstrierte. Er war Japaner, aber modischer gekleidet als jeder Dandy auf der Londoner Bondstreet: Glimmerweste, brillantineglänzende Frisur, ein Veilchen im Revers.
»Fürst Onokoji«, flüsterte der Konsul Fandorin zu. »Er gibt hier in Sachen Mode den Ton an. Auf seine Weise auch ein Produkt des Fortschritts. Solche Fürsten gab es in Japan früher nicht.«
»Und das, meine Damen, ist eine Madrashaube von Bonnard«, vernahm Fandorin die blasierte Stimme des Fürsten, der es fertigbrachte, selbst im Englischen einen Pariser Akzent zu wahren. »Die neueste Kollektion. Beachten Sie die Borten und besonders die Bänder. Scheinbar schlicht, und dabei doch so elegant!«
Doronin schüttelte den Kopf.
»Und das ist ein Abkömmling eines mächtigen Daimyo! Seinem Vater gehörte die gesamte Nachbarprovinz. Doch nun sind die souveränen Provinzen abgeschafft, die einstigen Daimyo sind Staatspensionäre geworden. Manche, wie dieser Laffe, haben Geschmack gefunden an ihrem neuen Status. Man hat keinerlei Sorgen, muß keine Meute von Samurai ernähren, kann fröhlich in den Tag hinein leben und nach Herzenslust genießen. Onokoji hat zwar im Nu alles verbraucht, aber der großzügige Don-san unterstützt ihn – zum Dank für den Schutz, den sein Vater unserem Räuber hat angedeihen lassen.«
Fandorin trat beiseite, um die nützlichen Informationen über progressives Fleischessen und Daimyo-Pensionäre zu notieren.Dann versuchte er, das Profil von O-Yumi zu skizzieren: die Neigung des Halses, die sanft gewölbte Nase, den raschen Blick unter den gesenkten Wimpern. Es gelang ihm nicht – irgend etwas fehlte.
»Da ist ja auch der Mann, den wir brauchen.« Der Konsul winkte ihn heran.
Vor einer Säule in einer Ecke unterhielten sich zwei Männer: der Fandorin bereits bekannte ehrenwerte Bullcocks und ein Herr, der, nach dem Monokel und seiner Hagerkeit zu urteilen, ebenfalls Engländer sein mußte. Es schien kein freundschaftliches Gespräch zu sein – Bullcocks lachte feindselig, sein Gegenüber verzog die schmalen Lippen. Die Dame mit dem Hermelin stand nicht bei ihnen.
»Das ist Kapitän Bucharzew«, sagte Doronin, während er seinen Stellvertreter durch den Saal führte. »Im Schlagabtausch mit seinem britischen Widersacher.«
Fandorin musterte den Marineattaché eingehender, konnte aber an diesem Gentleman nichts Russisches feststellen. Die Vertreter der beiden feindlichen Mächte ähnelten einander wie leibliche Brüder. Als Slawe wäre am ehesten Bullcocks mit seiner wilden Mähne und seinem offenen, energischen Gesicht durchgegangen.
Ein
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