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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Holz.
    Dergestalt in einen richtigen Ausländer verwandelt, besuchte er eine seiner früheren Freundinnen, die als Dienerin bei der Familie eines amerikanischen Missionars angestellt war. Erstens, um sich in seinem nagelneuen Schick zu zeigen, und zweitens, um sie nach den Gewohnheiten und Bräuchen der Gaijins auszufragen. Er bekam viele erstaunliche und ungemein nützliche Informationen, wenn auch nicht ohne Mühe, denn das hirnlose Mädchen belästigte ihn mit Zärtlichkeiten und schleckte ihn andauernd ab. Dabei hatte er sie nicht zum Vergnügen aufgesucht.
    Nun fühlte Masa sich genügend gerüstet, um seinen Dienst anzutreten.
    Zu seinem Glück war sein Herr erst im Morgengrauen nach Hause gekommen und schlief fast bis Mittag – so hatte Masa ausreichend Zeit gehabt für die notwendigen Erledigungen.
    Er bereitete ein erlesenes Frühstück: Er brühte einen wunderbaren Gerstentee, richtete auf einem Holzteller Skolopenderhäppchen, gelben Uni-Kaviar hauchdünne Ik-Scheiben an, dazu eingelegte Pflaumen und gesalzenen Rettich; er kochte den teuersten Reis und bestreute ihn mit zerstoßenen Algen; besonders stolz war er auf den schneeweißen Tofu und die duftende zartbraune Natto-Paste. Das Tablett schmückte er der Saison entsprechend mit kleinen gelben Chrysanthemen.
    Er trug die ganze Pracht ins Schlafzimmer, setzte sich lautlos auf den Boden und wartete, daß sein Herr endlich erwachte, doch deröffnete die Augen nicht; er atmete leise und gleichmäßig, nur seine langen Wimpern bebten leicht.
    Ach, das war nicht schön! Der Reis wurde kalt! Der Tee zog zu lange!
    Masa grübelte, was tun, und hatte eine glänzende Idee.
    Er holte tief Luft und nieste herzhaft.
    Hat-schi!
    Der Herr setzte sich ruckartig auf, öffnete seine seltsamfarbenen Augen und starrte den vor ihm sitzenden Diener verwundert an.
    Der verbeugte sich tief, bat um Verzeihung für den Lärm und demonstrierte seine speichelbesprühte Hand: Tja, gegen die Natur ist man machtlos.
    Dann reichte er seinem Herrn lächelnd den herrlichen Steinguttopf, den er für neunzig Sen gekauft hatte. Von seiner Feundin wußte Masa, daß die Ausländer diesen Gegenstand nachts unter ihr Bett stellten und ihre Gaijin-Notdurft darauf verrichteten.
    Doch sein Herr schien nicht erfreut über den Topf, er winkte ärgerlich mit der Hand – weg damit, weg. Wahrscheinlich hätte er keinen rosa Topf mit hübschen Blumen kaufen sollen, sondern lieber einen weißen.
    Dann half Masa seinem Herrn beim Waschen und betrachtete dessen weiße Haut und seine kräftigen Muskeln. Gern hätte er gesehen, wie das männliche Organ bei den Gaijin beschaffen war, doch bevor sein Herr sich die untere Körperhälfte wusch, schickte er seinen treuen Diener leider hinaus.
    Das Frühstück war ein Erfolg.
    Masa mußte seinem Herrn zwar erst einmal den Gebrauch der Stäbchen beibringen, doch der Gaijin hatte geschickte Finger. Das kam wohl daher, daß sie von den Affen abstammten – das gaben sie selber zu, ohne die geringste Scham.
    Der Herr erfreute Masa mit einem gesegneten Appetit, nur seine Art, die Speisen herunterzuschlucken, war seltsam. Er biß ein kleinesStück vom Skolopender ab, verzog heftig das Gesicht (vermutlich vor Behagen), aß dann rasch alles auf und trank gierig Gerstentee dazu. Vom Tee verschluckte er sich, hustete und riß Mund und Augen auf. Das war wie bei den Koreanern – die rülpsten, wenn es ihnen schmeckte. Ich muß das nächstemal doppelt soviel machen, sagte sich Masa.
    Nach dem Frühstück gab es Sprachunterricht. Shirota-san hatte gesagt, der Herr wolle Japanisch lernen – im Gegensatz zu anderen Ausländern, die ihre Diener nötigten, ihre Sprache zu lernen.
    Der Unterricht sah folgendermaßen aus:
    Der Herr zeigte auf verschiedene Teile des Gesichts, und Masa nannte ihre japanischen Bezeichnungen: Augen – me, Stirn – hitai, Mund – kuchi, Braue – mayu. Der Schüler schrieb sie in ein Heft und wiederholte sie eifrig. Seine Aussprache war komisch, aber Masa gestattete sich natürlich nicht das winzigste Lächeln.
    Auf ein gesondertes Blatt malte der Herr ein menschliches Gesicht und Pfeile zu den einzelnen Teilen. Das war klar. Aber dann fragte er vollkommen Unverständliches.
    Masa verstand einige Worte: »Rakuen«, Satsumajin, aber wie sie zusammenhingen, blieb ihm ein Rätsel. Der Herr tat, als sitze er mit geschlossenen Augen da, dann sprang er auf, schwankte, wedelte mit dem Arm, tippte mit dem Finger gegen Masas Hals, zeigte auf das gemalte

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