Diamantene Kutsche
langsam. »Sturmgruppen, Abriegelung durch Infanterie – d-das alles ist wunderbar. Aber wo bleiben die Vorkehrungen dafür, die Männer lebend zu fassen? Uns geht es doch weniger um sie selbst als um ihre Verbindungen.«
Shirota übersetzte – offenbar verstanden nicht alle Polizisten Englisch.
Die Japaner wechselten seltsame Blicke, ein grauer Schnauzbart ächzte sogar, als hätte der Gaijin etwas Dummes gesagt.
»Wir werden natürlich versuchen, die Verbrecher festzunehmen.« Der Vize-Intendant seufzte. »Aber das wird kaum gelingen. Leute dieser Art lassen sich niemals lebend fangen.«
Die Antwort gefiel Fandorin nicht, und sein Mißtrauen lebte erneut auf.
»Dann folgendes«, erklärte er. »Ich muß in eine der Sturmgruppen.Dann garantiere ich dafür, daß Sie mindestens einen der V-verschwörer nicht tot, sondern lebend bekommen.«
»Darf ich fragen, wie Sie das machen wollen?«
Fandorin antwortete ausweichend: »Als ich in türkischer Gefangenschaft war, hat man mir dort etwas beigebracht, das ich jetzt nicht weiter erörtern möchte – Sie werden es sehen.«
Seine Worte hatten eine seltsame Wirkung auf die Japaner. Die Polizisten tuschelten miteinander, und Suga fragte ungläubig: »Sie waren in Gefangenschaft?«
»Ja. Während des kürzlichen Balkanfeldzugs.«
Der graue Schnauzbart sah Fandorin mit unverhohlener Verachtung an. Auch die Blicke der anderen waren keineswegs schmeichelhaft.
Der Vize-Intendant trat zu Fandorin und klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter.
»Halb so schlimm, im Krieg geschieht alles mögliche. Während des Formosa-Feldzuges geriet Gardefähnrich Tatibana, ein äußerst tapferer Offizier, ebenfalls in Gefangenschaft. Er war schwer verwundet und bewußtlos, die Chinesen nahmen ihn im Lazarettwagen gefangen. Als er später zu sich kam, erdrosselte er sich natürlich mit seinem Verband. Aber man hat ja nicht immer einen Verband zur Hand.«
Dann wiederholte er dasselbe noch einmal auf Japanisch (Fandorin verstand den Namen Tatibana), und Shirota erklärte leise: »In Japan meint man, ein Samurai dürfe nicht in Gefangenschaft geraten. Das ist natürlich rückständig. Ein Vorurteil«, fügte er rasch hinzu.
Fandorin wurde wütend. Mit erhobener Stimme wiederholte er starrsinnig: »Ich muß in eine der Sturmgruppen. Ich b-bestehe darauf. Ich erlaube mir, daran zu erinnern, daß es ohne mich und meine Mitarbeiter überhaupt keine Operation gäbe.«
Unter den Japanern entstand eine Diskussion, deren Gegenstandeindeutig Fandorin war, doch sein Dolmetscher legte ihm deren Inhalt nur sehr knapp und äußerst verworren dar.
»Also … Nun ja, im wesentlichen … Die Herren Polizisten erörtern Ihre Hautfarbe, Ihre Größe, Ihre Nase …«
»Darf ich Sie bitten, sich bis zum Gürtel zu entblößen«, wandte sich Suga plötzlich an Fandorin.
Er ging mit gutem Beispiel voran und zog Uniformjacke und Hemd aus. Der Vize-Intendant war gedrungen und kräftig, sein Bauch zwar dick, aber keineswegs schwabbelig. Fandorin interessierte sich jedoch weniger für die Details seines Körperbaus als vielmehr für das antike goldene Kreuz, das auf der gewölbten unbehaarten Brust baumelte. Suga bemerkte Fandorins Blick und erklärte: »Vor dreihundert Jahren war unsere Familie christlich. Später, als die europäischen Missionare aus dem Land gejagt wurden und man ihren Glauben verbot, sagten meine Vorfahren sich von der fremden Religion los, bewahrten das Kreuz aber als Reliquie. Es gehörte meiner Urururgroßmutter, Donna Maria Suga, die lieber starb, als dem Glauben abzuschwören. Zum Gedenken an sie habe auch ich den christlichen Glauben angenommen – heute ist das nicht mehr verboten. Sind Sie ausgezogen? Und nun sehen Sie mich an und sich.«
Er stellte sich neben Fandorin, Schulter an Schulter, und nun war klar, was die Entkleidung sollte.
Nicht nur, daß der Vizekonsul seinen Nebenmann um einen ganzen Kopf überragte – seine Haut strahlte in eindeutig unjapanischem Weiß.
»Die Bauern sind fast nackt«, sagte Suga. »Sie werden aus dem Feld herausragen und leuchten wie der verschneite Fuji.«
»Ganz egal«, erklärte Fandorin fest. »Ich m-muß in eine Sturmgruppe.«
Nun versuchte niemand mehr, ihn davon abzubringen. Die Polizisten scharten sich um ihren Vorgesetzten und besprachen sich halblaut. Dann rief der Schnauzbart laut: »Kuso! Umano kuso!«
Der Vize-Intendant lachte und klopfte ihm auf die Schulter.
»Was hat er g-gesagt?«
Shirota zuckte die
Weitere Kostenlose Bücher