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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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näherten sich auf dem Weg zum Tempel: Voran schritt gewichtig ein schwarzgekleideter Shinto-Priester, hinter ihm trippelte eine Miko, eine Tempeldienerin in weißem Kimono und roten Pluderhosen; zu beiden Seiten ihres weißgefärbten Gesichts hing glattes, langes schwarzes Haar herab. Sie stolperte, ließ eine Schüssel fallen und ging graziös in die Hocke. Dann eilte sie dem Priester nach, wobei sie mädchenhaft mit den Hüften wackelte. Fandorin mußte unwillkürlich lächeln – Donnerwetter, Asagawa, was für schauspielerische Fähigkeiten!
    Vor der Treppe blieb der Kannushi stehen, tauchte einen kleinen Besen in die Schüssel, schwang ihn nach allen Seiten und sang dabei – auf diese Weise begann Suga mit dem Reinigungsritual. Sein Schnurrbart hing wie der von Fandorin herab, überdies hatte man Seiner Exzellenz noch einen langen grauen Bart angeklebt.
    Der Kommissar flüsterte: »Go!«
    Der Wachposten achtete jetzt bestimmt nur auf den ungebetenen Gast und scherte sich nicht um die Bauern.
    Bemüht, nicht durchs Wasser zu platschen, ging Fandorin in Richtung Hügel. Einen Augenblick später waren sie beide bereits im Bambusdickicht. An Fandorins Waden rann schmutziger Schlamm herab.
    Iwaoka ging voran, die Anhöhe hinauf. Alle paar Schritte blieb er stehen, lauschte, dann winkte er seinem Partner – komm!
    So gelangte Fandorin, den Blick auf den muskulösen Rücken des Kommissars gerichtet, bis zum Gipfel.
    Sie legten sich unter einen Busch und sahen sich um.
    Iwaoka hatte den Punkt ideal gewählt – von hier sah man sowohl den Tempel als auch die Treppe, die die beiden Gestalten, die weiße und die schwarze, langsam heraufkamen. Suga blieb auf jeder Stufe stehen und schwenkte seinen Besen. Sein näselnder Gesang kam immer näher.
    Oben, unter dem heiligen Tor, wartete Semushi. Er war lediglich mit einem Lendenschurz bekleidet – vermutlich, um seine Mißbildung zu demonstrieren – und verneigte sich unterwürfig bis zur Erde.
    Er spielt den armen Krüppel, der im verlassenen Tempel Zuflucht gefunden hat, dachte Fandorin, will beim Priester Mitleid erregen.
    Und die anderen?
    Ah, da waren sie ja, die Guten.
    Die Satsumaer hatten sich hinter dem Tempel versteckt – Sugaund Asagawa konnten sie von der Treppe aus nicht sehen, vom Gebüsch aus waren sie jedoch gut auszumachen.
    Ein Dutzend Schritt entfernt vom Kommissar und von Fandorin standen, eng an die Wand gepreßt, drei Männer in leichten Kimonos. Einer, dessen linker Arm hochgebunden war, schaute vorsichtig um die Ecke, die beiden anderen ließen kein Auge von ihm.
    Alle drei trugen Schwerter, registrierte Fandorin. Sie mußten sich irgendwoher neue besorgt haben. Schußwaffen konnte er nicht entdecken.
    Der Krüppelarmige war gut über vierzig – in dem am Hinterkopf klebenden Zopf schimmerten graue Haare. Die beiden anderen waren blutjunge Burschen.
    Nun hatte der »Priester« den Landstreicher entdeckt. Er unterbrach seinen Gesang, schimpfte laut und stieg rasch die Treppe empor. Die »Tempeldienerin« folgte ihm.
    Der Bucklige ließ sich auf die Knie fallen und schlug mit der Stirn auf den Boden. Wunderbar – so konnte man ihn leichter ergreifen.
    Das fand der Kommissar offenbar auch. Er berührte Fandorins Schulter: Los!
    Fandorin schob die Hand unter seinen Lendenschurz und zog an einer dünnen Leine, die er sich um die Hüfte gebunden hatte. Er wickelte sie rasch um Handgelenk und Ellbogen, so daß nur noch eine große Schlinge herabhing.
    Iwaoka nickte verstehend und bedeutete ihm: Der Krüppelarm gehört dir, die übrigen beiden mir. Das war vernünftig. Wenn sie jemanden lebendig fassen wollten, dann möglichst den Anführer.
    »Und wo ist deine Waffe?« fragte Fandorin, ebenfalls mit Gesten.
    Der Kommissar verstand nicht gleich. Dann lächelte er knapp und hielt Fandorin seinen Fächer hin. Er war nicht aus Papier oder Pappe, sondern aus Stahl und hatte scharfgeschliffene Kanten.
    »Warte, erst ich«, befahl Iwaoka.
    Er lief lautlos am Gebüsch entlang und näherte sich den Satsumaern von hinten.
    Bald kam er erneut in Fandorins Blickfeld: Das Gesicht konzentriert, die Knie halb gebeugt, die Füße lautlos über den Boden huschend.
    Die Samurai sahen und hörten ihn nicht – sie schauten nur zu ihrem Anführer, der wiederum beobachtete das Geschehen auf der Treppe.
    Suga spielte seine Rolle mit großer Verve: Er schrie, schwang die Arme, verpaßte dem »Landstreicher« sogar mit dem Besen einige Hiebe auf den Kopf. Die

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