Diamantene Kutsche
Achseln.
»Kommissar Iwaoka hat gesagt: ›Mist. Pferdemist.‹«
»Redet er von mir?« schnaubte Fandorin. »Sagen Sie ihm, dann ist er …«
»Nein, nein, wie können Sie so etwas denken!« unterbrach ihn Shirota. »Es geht um etwas anderes … Inspektor Asagawa fragt, was mit Ihrer Größe ist. Bauern sind nie solche Lulatsche. Habe ich das Wort richtig gesagt?«
»Ja, ja, richtig.«
Fandorin verfolgte aufmerksam, was Kommissar Iwaoka tat. Er hatte sich von der Gruppe gelöst, seinen weißen Handschuh ausgezogen und griff in den Pferdemist.
»Herr Sasaki aus der Abteilung für Kapitalverbrechen sagt, Sie sind ein richtiger Kirin, aber das macht nichts, denn die Bauern richten sich sowieso nie auf.«
»Was bin ich?«
»Ein Kirin, das ist ein Fabeltier. Wie eine Giraffe.«
»Aha.«
Der Schnauzbart trat zu Fandorin, verbeugte sich und klatschte dem russischen Diplomaten Pferdemist auf die weiße Brust. Der erstarrte förmlich.
»Na also«, übersetzte Shirota. »Nun sehen Sie nicht mehr aus wie der schneebedeckte Fuji.«
Kommissar Iwaoka verteilte die übelriechende gelbbraune Masse auf Fandorins Bauch.
Fandorin verzog das Gesicht, duldete es aber.
Ein hochedler Mann
Ist rein, und nichts beschmutzt ihn,
Nicht einmal Stallmist.
Der Tiger ist frei
An den Gestank gewöhnte man sich, er peinigte Fandorins Nase schon bald nicht mehr. Viel schlimmer waren die Fliegen. Angelockt vom appetitlichen Geruch, kamen sie von sämtlichen japanischen Inseln zu Fandorin geflogen, zumindest aus der ganzen Präfektur Kanagawa. Anfangs versuchte er noch, sie zu verscheuchen, dann ließ er es bleiben, denn ein Bauer, der wie wild mit den Armen wedelte, konnte auffallen. Er biß die Zähne zusammen und ertrug das widerliche Kitzeln der unzähligen grünen Geschöpfe, die ihm geschäftig über Rücken, Brust und Gesicht krabbelten.
Tief gekrümmt und bis zu den Knien im Wasser, bewegte sich der Diplomat langsam vorwärts und riß dabei irgendwelches Grünzeug aus. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihm zu erklären, wie das Unkraut aussah, darum vernichtete er vermutlich auch Reispflanzen, aber das kümmerte ihn am wenigsten. Er haßte Reis, den Sumpfreisanbau und seinen eigenen Starrsinn, der ihm den Platz in einer Sturmgruppe gesichert hatte.
Das zweite Mitglied seiner Gruppe war der Initiatior der Mistsalbung, der graue Schnauzbart Iwaoka. Seinen üppigen, verwegen gezwirbelten Schnauzbart hatte der Kommissar allerdings eingebüßt – den mußte er vor der Operation abrasieren, um wie ein Bauer auszusehen. Fandorin konnte seinen Schnurbart verteidigen, er wurde nur naß gemacht und hing nun an beiden Mundwinkeln herab. Das war im Moment Fandorins einziger Trost; in jeder anderen Beziehung war Iwaoka wesentlich besser dran.
Erstens zeigten die Fliegen für ihn keinerlei Interesse, ihnen genügte der duftende Fandorin. Zweitens bewegte sich der Kommissar ohne ersichtliche Anstrengung durch den schmatzenden Schlamm, und auch das Jäten schien ihm keine Mühe zu machen – er blieb immer wieder stehen und ruhte sich aus, um auf seinen Partner zu warten. Am meisten aber beneidete Fandorin den Japanerum den großen weißen Fächer, den dieser vorsorglich bei sich trug. Fandorin hätte viel dafür gegeben, sein Gesicht wenigstens ab und an mit einem frischen Lufthauch kühlen und die verfluchten Insekten vertreiben zu können.
In den fast bis zum Kinn heruntergezogenen Strohhut waren zwei Löcher gebohrt, damit er den Tempel beobachten konnte, ohne den Kopf zu heben. Die zweihundert Schritt vom Feldrand bis zum Hügel bewältigten die beiden »Bauern« in anderthalb Stunden. Nun liefen sie, wenige Sashen vom trockenen Boden entfernt, hin und her; näher heran durften sie auf keinen Fall, damit der Wachposten keinen Verdacht schöpfte. Er ließ sie vermutlich ohnehin nicht aus den Augen. Sie drehten sich hin und her, damit er sah, daß sie friedliche, harmlose Männer waren, vollkommen unbewaffnet.
Die Hilfsgruppe aus sechs verkleideten (genauer gesagt, entkleideten) Polizisten hielt sich in einiger Entfernung. Eine weitere arbeitete auf der anderen Seite und war von hier aus nicht zu sehen.
Der Vize-Intendant ließ auf sich warten, und Fandorin fragte sich besorgt, ob er sich würde aufrichten können, wenn es endlich Zeit zum Handeln war. Er rieb sich vorsichtig das Kreuz, das mit ziehendem Schmerz reagierte.
Plötzlich schnalzte Iwaoka, ohne den Kopf zu heben, leise mit der Zunge.
Es ging los!
Zwei Personen
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