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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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viktorianische Paradies ein. Sein großartiges Royal Crescent erschreckte eine Meute streunender Hunde, die auf der Brücke geschlafen hatten. Im erstenAugenblick rannten sie winselnd auseinander, doch als sie sahen, daß das nächtliche Ungeheuer vor ihnen floh, wurden sie mutiger und rannten ihm bellend hinterher.
    Dagegen war Fandorin machtlos.
    Er erhob die Hand gegen sie, versetzte einem Hund sogar einen Tritt, doch die verdammten Kläffer blieben ihm hartnäckig auf den Fersen und bellten immer lauter.
    Fandorin trat heftiger in die Pedale, was gar nicht so einfach war, denn die Straße führte bergauf. Doch er hatte stählerne Muskeln, und nach ein, zwei Minuten blieben die Köter endlich zurück.
    Schweißnaß erreichte Fandorin das Haus Nummer 129. Doch er verspürte keine Erschöpfung – er hätte jeder Prüfung mit Leichtigkeit standgehalten.
    Der ehrenwerte Patron der kostbarsten Frau der Welt lebte in einem einstöckigen roten Klinkerbau im berühmten georgianischen Stil. Trotz der späten Stunde war man im Haus noch wach – die Fenster waren erleuchtet, unten wie oben.
    Fandorin untersuchte die Örtlichkeit und stellte erstaunt fest, daß er hier schon einmal gewesen war. Nebenan erhob sich der hohe Zaun mit dem durchbrochenen Tor, dahinter der bekannte weiße Palast mit den Säulen: Der Wohnsitz von Don Tsurumaki, wo Fandorin O-Yumi das erste Mal gesehen hatte.
    Bullcocks’ Besitz war weniger groß und pompös als der des Nachbarn, und das kam Fandorin sehr gelegen: Um den anderthalb Sashen hohen Zaun des japanischen Neureichen zu überwinden, hätte er eine Leiter gebraucht, über den Holzzaun des Engländers hingegen konnte er mühelos klettern.
    Was er auch tat, ohne lange zu überlegen. Doch kaum hatte er einige Schritte getan, als er drei Schatten rasch auf sich zukommen sah – riesige, stumme Mastiffs, deren Augen im Mondlicht in unheilvollem Phosphorgrün funkelten.
    Mit knapper Not konnte sich Fandorin zum Zaun flüchten.
    Mit angezogenen Beinen auf dem Zaun sitzend, betrachtete er die zähnefletschenden Hunde und hatte sofort eine passende Schlagzeile parat: »HAPLESS LOVER CHASED BY MASTIFFS«. 3
    Was für eine Schande, was für eine Kinderei, sagte sich der Vizekonsul, besann sich jedoch nicht, sondern biß sich nur auf die Lippen – so sehr erzürnte ihn seine Hilflosigkeit.
    O-Yumi war ganz nahe, hinter einem der Fenster, aber was tun mit den verfluchten Hunden?
    Fandorin empfand Sympathie und Respekt für das Hundegeschlecht, doch jetzt hätte er die verfluchten englischen Biester ohne die geringsten Skrupel mit seiner treuen Herstal erschossen. Ach, warum hatte der technische Fortschritt noch kein lautloses Pulver erfunden!
    Die Mastiffs rührten sich nicht von der Stelle. Sie schauten zu ihm hinauf und kratzten mit ihren scharfen Krallen am Zaun. Sie bellten nicht – so waren diese Aristokraten abgerichtet –, knurrten jedoch wahrhaft blutrünstig.
    Plötzlich ertönte von der Straße her wütendes plebejisches Gebell.
    Fandorin drehte sich um und erblickte seine Bekannten von vorhin – die Streuner von der Yatobashi-Brücke. Sie sind doch nicht etwa meiner Spur gefolgt, dachte er, aber dann erkannte er, daß die Hunde einen Mann verfolgten.
    Der holte im Laufen mit dem Arm aus, und ein klagendes Winseln ertönte. Ein Ausholen zur anderen Seite, ein erneutes Winseln, und die Meute blieb zurück.
    Masa – das war Fandorins treuer Diener Masa! Er hielt einen Holzknüppel in der Hand, der durch eine Kette mit einem zweiten, ebensolchen verbunden war. Fandorin wußte bereits, daß diese unscheinbare, aber sehr wirkungsvolle Waffe Nunchaku hieß und daß Masa sie sehr gut beherrschte.
    Der Kammerdiener rannte herbei und verbeugte sich vor seinem auf dem Zaun sitzenden Herrn.
    »Wie hast du mich gefunden?« fragte Fandorin und versuchte, die Frage auf Japanisch zu wiederholen. »Doo … watashi … sagasu?«
    Der Japanischunterricht war nicht vergebens gewesen – Masa verstand! Er holte ein vierfach gefaltetes Blatt Papier unterm Hemd hervor und entfaltete es.
    Ach ja, der Plan des Settelment mit der Bleistiftlinie vom Konsulat bis zum Haus 129.
    »Das hier ist nicht dienstlich. Shigoto – iie. Geh, geh«, sagte der Vizekonsul und bedeutete Masa zu verschwinden. »Es besteht keine Gefahr, verstehst du? Kiken – iie. Wakaru!«
    »Wakarimas.« Der Diener verbeugte sich. »Mochiron wakarimas. O-Yumi-san.«
    Vor Überraschung wäre Fandorin beinahe vom Zaun gefallen, und zwar auf die

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