Diamantene Kutsche
sieht man«, zischte der Konsul, den Blick nicht auf das Gesicht seines Gegenübers gerichtet, sondern schräg nach unten. Er winkte angewidert ab und ging hinaus.
Fandorin folgte seinem Blick. Aus dem mit einer Schleife verzierten rosa Paket aus dem Modegeschäft hing ein Netzstrumpf in der Farbe »Sonnenaufgang überm Meer«.
Mit gesenktem Kopf ging der Vizekonsul in seinen Flügel. Er öffnete die Tür und erstarrte – er erkannte seine eigene Diele kaum wieder.
An der Wand hing ein großer Spiegel in lackiertem, perlmuttverziertem Rahmen. Auf einem zierlichen Schränkchen stand eine Vase mit duftenden weißlila Iris. Die Garderobe für Kopfbedeckungen und Straßenkleider war verschwunden – an ihrer Stelle stand ein geschlossener Schrank mit geflochtenen Strohtüren. An der Decke hing eine große Petroleumlampe mit Papierschirm und strahlte weiches rosa Licht aus.
Erstaunt warf Fandorin einen Blick in den Salon. Dort war noch mehr verändert, so daß er unmöglich alle Details auf einmal erfassen konnte. Er registrierte lediglich den allgemeinen Eindruck: farbig, hell und festlich.
Im Eßzimmer entdeckte der Vizekonsul einen gedeckten Tisch, bei dessen Anblick er sofort Hunger verspürte – was in den letzten Tagen überhaupt nicht vorgekommen war. Obst, Käse, Reisröllchen mit rotem und weißem Fisch, Pasteten und Kuchen, Konfekt und Champagner in einem Eimer.
Die Fee, die seine karge Dienstwohnung derart verzaubert hatte, fand der Vizekonsul im Schlafzimmer. Doch nein, der Raum verdiente diese profane, prosaische Bezeichnung nicht mehr. Über das breite, aber schlichte Bett, mit dem Fandorin sich begnügt hatte, spannte sich nun ein Tüllbaldachin, an den Fenstern hingen Gardinen, auf dem Fußboden lag ein bunter, flauschiger Teppich.O-Yumi selbst, nur mit einem Hemd bekleidet (demselben, in dem sie aus Bullcocks’ Höhle entflohen war), stand auf einem Stuhl und befestigte eine lange Rolle mit Hieroglyphen an der Wand.
»Du bist zurück, Liebster?« fragte sie und warf sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Ich bin ganz erschöpft! Du hast einen sehr seltsamen Diener. Er hat sich geweigert, mir zu helfen. Ich mußte alles allein machen. Ein Glück, daß ich im Teehaus einiges gelernt habe. Bevor man sich dort Respekt erwirkt, macht man dort nämlich alles selbst – waschen, bügeln, nähen … Nein, er ist wirklich komisch! Stand die ganze Zeit im Flur und ließ mich nicht in die Abstellkammer schauen. Was hast du da drin? Ich habe sonderbare Geräusche gehört.«
»Das ist ein Geheimzimmer. Nichts Interessantes, lauter langweilige D-diplomatenpapiere«, schwindelte Fandorin. »Ich lasse sie gleich morgen wegräumen. Aber warum hast du dir keine Kleider gekauft?«
Sie sprang lautlos vom Stuhl.
»Hab ich. Aber ich hab sie wieder ausgezogen, um sie nicht zu beschmutzen. Hier, das reicht fürs erste.«
Sie riß den Kleiderschrank auf. Fandorins Gehröcke und Hosen waren ganz in die Ecke gerückt, vier Fünftel des Raumes wurden nun von farbiger Seide, Samt und Atlas eingenommen. Auf dem obersten Fach standen Hutschachteln, unten Schuhkartons.
»Was hast du da?« O-Yumi griff nach dem rosa Päckchen. »Von ›Madame Betise‹? Für mich?«
Sie packte die Strümpfe aus, drehte und wendete sie und rümpfte die Nase.
»Shumiwarui.«
»Was?«
»Wie vulgär! Du hast keine Ahnung, wie sich eine Dame kleidet. Die schwarzen behalte ich. Die übrigen gebe ich Sophie. Ihr gefallen sie bestimmt.«
»W-wem?« Der arme Fandorin kam gar nicht so schnell mit.
»Der gelbhaarigen Närrin, die mit den Fingern auf der großen eisernen Maschine herumhackt.«
»D-du hast sie schon kennengelernt?«
»Ja, wir haben uns angefreundet. Ich habe ihr einen Hut geschenkt, sie mir ein Tuch mit großen roten Blumen. Außerdem habe ich Obayashi-san näher kennengelernt, die Geliebte deines Chefs. Eine reizende Frau. Mit ihr habe ich mich auch angefreundet.«
»Und was hast du noch geschafft in den drei Stunden, die wir uns nicht gesehen haben?«
»Sonst nichts. Ich habe ein paar Einkäufe gemacht, angefangen, im Haus ein wenig Ordnung zu schaffen, und die Nachbarinnen kennengelernt.«
Fandorin war zwar kein Finanzexperte, aber die Einkäufe erschienen ihm doch ziemlich üppig.
»Wie bist du bloß mit dem Geld ausgekommen?« fragte er bewundernd, als er auf dem Tisch eine Samtschachtel mit einer reizenden Perlenbrosche entdeckte.
»Ach, das Geld, das war nach den ersten beiden Läden alle.«
»Aber … Aber
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