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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Händen nach der Tischkante.
    Der Japaner aber war nicht im Flur geblieben, er war ebenfalls ins Kabinett gekommen und wühlte nun ungeniert in den Papieren herum. Er griff nach dem Schema, hielt es sich vor die Augen und nickte.
    Doch Twiggs kümmerte das merkwürdige Benehmen des Herrn Yamada nicht, er fühlte sich irgendwie unwohl.
    Er schaute auf das silbergerahmte Foto seiner Frau Jenny, das auf der Kommode stand, und konnte den Blick nicht davon lösen.
    Auch seine leicht retuschierte Frau sah ihn an und lächelte zärtlich und vertrauensvoll.
     
    Alles ändert sich,
    Ausgenommen das Gesicht
    Auf einem Foto.

Don-don
    Fandorin schlief nicht lange, er sah immer wieder zur Uhr und stand um halb vier leise auf. Eine ganze Weile betrachtete er die schlafende O-Yumi, erfüllt von einem überwältigenden Gefühl, das schwer in Worte zu fassen war. Noch nie war ihm die Welt sozerbrechlich und zugleich so stark erschienen; sie konnte vom leisesten Windhauch in Scherben zerfallen und zugleich dem wütendsten Orkan trotzen.
    Seine Stiefel zog er im Flur an. Er berührte Masa, der, das Kinn auf der Brust, vor der Kammer auf dem Boden saß, an der Schulter. Masa richtete sich sofort auf.
    »Geh schlafen«, flüsterte Fandorin. »Neru. Jetzt halte ich Wache.«
    »Hai.« Masa gähnte und ging in sein Zimmer.
    Fandorin wartete, bis er ein friedliches, schmatzendes Schnaufen vernahm (es dauerte kaum eine Minute) und ging zu Onokoji.
    Der Fürst schien sich in seinem Asyl nicht übel eingerichtet zu haben. Die Regale mit Masas Vorräten und dem Hauswirtschaftskram waren mit einer Decke verhängt, auf dem Boden stand eine erloschene Lampe, auf einer leeren Kiste die Reste des Abendessens. Der Fürst schlief sorglos, die schmalen Lippen halb geöffnet – Seine Hoheit weilte offenbar im Reich süßer Träume. Nach O-Yumi einen anderen Schlafenden zu betrachten, noch dazu einen so unsympathischen, erschien Fandorin blasphemisch, zumal er ob der Quelle der herrlichen Träume keinerlei Zweifel hegte: Neben dem Kopfkissen blinkte eine leere Spritze.
    »Stehen Sie auf.« Fandorin rüttelte an der Schulter des Zeugen. »Ps-s-t. Ich bin’s, keine Angst.«
    Aber Onkoji dachte gar nicht daran, sich zu fürchten. Er öffnete die trüben Augen und lächelte breit – die Wirkung der Droge hielt noch an.
    »Stehen Sie auf, ziehen Sie sich an. Wir gehen.«
    »Spazieren?« Der Fürst kicherte. »Mit Ihnen, mein lieber Freund, gehe ich bis ans Ende der Welt.«
    Tänzelnd und sich im Kreis drehend, zog er Hose und Stiefeletten an und plapperte dabei ununterbrochen – Fandorin mußte ihn mehrfach auffordern, keinen Lärm zu machen.
    Arm in Arm verließen sie das Haus. Fandorins freie Hand steckte sicherheitshalber in der Tasche, am Griff seiner Herstal, doch er nahm den Revolver nicht heraus, um den Fürsten nicht zu erschrecken.
    Es nieselte und roch nach Nebel. An der frischen Luft kam Onokoji allmählich zu sich. Er schaute sich auf der leeren Uferstraße um und fragte: »Wohin bringen Sie mich?«
    »An einen sichereren Ort«, erklärte der Vizekonsul, und Onokoji beruhigte sich sofort.
    »Ich habe in Ihrer Wohnung eine Frauenstimme gehört«, sagte er verschlagen. »Die kam mir sehr bekannt vor. O ja, sehr bekannt!«
    »Das geht Sie nichts an.«
    Der Weg bis zum siebenunddreißigsten Pier war weit und vertrieb den Nebel aus dem Kopf des Fürsten. Er plapperte nicht mehr, blickte sich immer häufiger nach allen Seiten um, stellte aber keine weiteren Fragen. Offenbar fror er – seine Schultern bebten. Vielleicht war das Zittern aber auch eine Folge der Spritze.
    Bald waren sie offenbar am Ziel. Auf einem flachen Godaún entdeckte Fandorin eine mit weißer Farbe aufgemalte »37«. Vom Ufer erstreckte sich eine lange Anlegestelle ins Meer, deren Anfang von einer Laterne beleuchtet war und deren Ende sich im Dunkel verlor. Dort knarrten Taue und zeichneten sich schwarz die Silhouetten von Booten ab.
    Die Bohlen dröhnten dumpf unter ihren Füßen, unten plätscherte Wasser.
    Die Dunkelheit war nicht vollkommen undurchdringlich, der Himmel wurde bereits grau. Endlich lag das Ende des Piers vor ihnen. Dort ragte der Mast eines großen Bootes auf, und davor, auf der Duckdalbe, saß Asagawa, in Polizeiuniform – man sah seine Schirmmütze und den weiten Mantel mit Pelerine.
    Fandorin ließ erleichtert den Arm seines Begleiters los und winkte dem Inspektor.
    Der winkte zurück. Bis zum Boot waren es noch zwanzig Schritte.
    Komisch, dachte der

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