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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Vizekonsul plötzlich. Warum kommt er uns nicht entgegen?
    »Warten Sie«, sagte er zum Fürsten und blieb stehen.
    Da stand der Sitzende auf, und Fandorin sah, daß er viel kleiner war als Asagawa. Hat er etwa einen anderen Polizisten geschickt, fragte sich Fandorin, während seine Hand bereits den Revolver aus der Tasche zog – wer sich selbst hilft, dem hilft Gott.
    Dann geschah etwas Unglaubliches.
    Der Polizist riß sich die Mütze vom Kopf, warf den Mantel ab – und war verschwunden. Unter der Kleidung war nichts, nur schwarze Leere!
    Der Fürst stieß einen hohen Schrei aus, und auch Fandorin packte mystisches Grauen. Doch im nächsten Augenblick kam Bewegung in die Finsternis, und nun erkannte man eine schwarze Silhouette, die rasch näher kam.
    Ein Ninja!
    Onokoji ergriff mit einem gellenden Schrei die Flucht, der Vizekonsul riß seine Herstal hoch und schoß.
    Die schwarze Gestalt lief nicht gerade, sondern im Zickzack, bald geduckt, bald in Sprüngen, und das alles in unglaublichem Tempo – so schnell konnte Fandorin nicht zielen.
    Ein zweiter Schuß, ein dritter, ein vierter, ein fünfter, ein sechster, ein siebter. Traf denn keine einzige Kugel ins Ziel? Die Entfernung betrug doch nur fünfzehn, zehn, fünf Schritte!
    Als der Unsichtbare nahe genug herangekommen war, schlug er dem verblüfften Fandorin mit dem Fuß die Herstal aus der Hand (die nun ohnehin nutzlos war). Der Revolver rutschte polternd über die Bohlen, und der Vizekonsul sah direkt vor sich, durch die Schlitze einer schwarzen Maske, zwei Augen – wie glühende Kohlen.
    Wer diese Augen einmal gesehen hatte, vergaß sie nie wieder.
    Das war er! Er! Der Schlangenbändiger, der Mann ohne Gesicht! Er lebte!
    Fandorin, der nicht begriff, wie das möglich war, und eigentlich überhaupt nichts mehr begriff, mochte sein Leben noch immer nicht billig hergeben.
    Wie bei Suga ging er in Kampfstellung, und konnte – hurra! – den ersten Fußtritt abwehren. Der Kunst des Jiu-Jitsu zufolge mußte er nun seinen Erfolg ausbauen und zum Angriff übergehen. Fandorin machte einen Ausfallschritt (der eher beim Boxen taugte), verfehlte den Gegner jedoch. Der ließ die Faust über sich hinwegsausen, richtete sich dann federnd auf, und Fandorins Beine lösten sich vom Pier. Er flog in die Luft, vollführte eine Drehung, und solange dieser erstaunliche Flug dauerte, konnte er nicht denken. Als er dann mit dem Kopf gegen die Kante des Piers prallte, erst recht nicht mehr – er sah einen Blitz, vernahm ein äußerst unangenehmes Knacken, dann war es vorbei.
    Doch das kalte Wasser, in das der Körper des besiegten Vizekonsuls mit lautem Platschen fiel, brachte ihn wieder zu sich. Sein erster Gedanke war (noch bevor er auftauchte): Warum hat er mich nicht getötet? Bullcocks hat ihm bestimmt befohlen, mich zu töten!
    Über sein Gesicht rann Blut, in seinen Ohren dröhnte es, aber Fandorin hatte nicht die Absicht, das Bewußtsein zu verlieren. Einen glitschigen Pfahl umklammert, griff er nach einem Querbalken, zog sich hoch und kletterte mühsam auf den Pier.
    Durch den Lärm in seinem Kopf und die tanzenden Feuerkreise vor seinen Augen drang ein zweiter Gedanke: Wo war der Fürst? Hatte er fliehen können? Zeit genug hatte er gehabt. Wenn ja, wo und wie sollte man ihn nun suchen?
    Aber Fandorin mußte den Fürsten gar nicht suchen. Das war ihm sofort klar, als er in der Ferne, unter der einzigen Laterne auf dem Pier, einen dunklen Haufen liegen sah, wie ein Bündel Lumpen.
    Taumelnd, die Hand auf die blutende Schürfwunde gepreßt, lief Fandorin über den Pier. An den Unsichtbaren dachte er nicht, denn er war überzeugt: Wenn dieser ihn hätte töten wollen, hätte er es getan.
    Der Lebemann lag mit dem Gesicht auf dem Boden. Oberhalb seines Kragens steckte ein stählerner Stern tief in seinem Hals. Fandorin zog ihn mit zwei Fingern heraus, und sofort fing die Wunde an zu bluten. Eine Wurfwaffe, erriet er und berührte die scharf geschliffenen Ränder des Sterns. Und offenbar mit irgend etwas eingerieben.
    Verblüfft fragte er sich: Warum war der Unsichtbare auf so riskante Weise den Kugeln ausgewichen? Er hätte doch einfach dieses Ding werfen können!
    Er beugte sich hinunter (bei der plötzlichen Bewegung geriet alles um ihn herum ins Wanken) und drehte den Toten um.
    Onokoji lebte noch.
    In seinen offenen Augen spiegelte sich Entsetzen, seine zitternden Lippen schnappten nach Luft.
    »Nan ja? Nan ja? (Was ist das? Was ist das?)«, stammelte der

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