Diamantenraub
tiefe Atmen von Angie und Diane waren zu hören. Ich muss einschlafen, dachte sie krampfhaft, morgen früh habe ich Stalldienst, und Frau Moos kennt keine Gnade! Schließlich stand sie auf, zog ihren Morgenmantel über und verließ leise den Raum. Sie tappte den Gang entlang, stieg die breite hölzerne Treppe hinab und öffnete die Haustür. Eisige Kälte schlug ihr entgegen. Was hatte ihre Mutter immer gesagt? Wenn du nicht schlafen kannst, dann sorge für frische Luft. Das wirkt manchmal Wunder! Nun, sicherlich hatte sie damit keinen Spaziergang durch eine eisige Winternacht gemeint. Kathrin überlegte. Seit einiger Zeit schon fühlte sie sich nicht mehr wohl, und immer öfter fand sie nachts keinen Schlaf. Zu viele Gedanken gingen ihr wieder im Kopf herum. Es waren vor allem die vielen Streitereien ihrer Eltern, die sie verwirrten und unglücklich machten. Wahrscheinlich ahnten weder ihr Vater noch ihre Mutter, wie viel ihre Tochter von den unzähligen, wütenden Diskussionen mitbekam, die sich zwischen ihnen abspielten. Sie hatte bitterböse Anklagen, unbarmherzige Aufrechnungen jahrzehntealter Verfehlungen, hitzige Vorwürfe gehört.
Und hier versteht mich auch niemand, dachte sie, immer bin ich die zickige Kathrin. Dabei ..., was wissen diese Gänse schon, wie ich mich manchmal fühle?
Ein paar Schneeflocken sprühten ihr ins Gesicht. Ein paar Schritte nur ... Natürlich, vielleicht würde sie krank werden. Sehr krank sogar. Husten und Fieber und vielleicht sogar eine Lungenentzündung. Dann würde es ihnen allen leidtun, ihren Eltern, der Reitlehrerin, die sie immer vor den Mitschülern blamierte, der ganzen Clique, die sie nie ganz in ihren Kreis aufgenommen hatte. Kurzentschlossen schob Kathrin den Riegel des Hoftores zurück. Dann lief sie in die Nacht hinaus.
Angie, die einen leichten Schlaf hatte, war aufgewacht, als Kathrin den Raum verließ. Schlaftrunken öffnete sie die Augen und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Sie sah, dass Kathrins Bett leer war. Wo mochte dieses unmögliche Mädchen mitten in der Nacht hingegangen sein? Zögernd erhob sich Angie. Zwar verspürte sie keine große Lust, Kathrin hinterherzulaufen, doch ihr plötzliches Verschwinden beunruhigte sie. Leise schlich Angie nach nebenan, wo Pat, Steffi und Elke schliefen.
»Pat«, zischte sie, »Pat, wach auf!«
Im Nu war Pat hellwach.
»Was ist los?« flüsterte sie. »Ist irgendetwas passiert?«
»Kathrin ist weg. Wir sollten nach ihr suchen.«
Schnell schlüpfte Pat in ihre Jeans, zog einen Pullover über und folgte der Freundin. Sie spähten noch einmal in Kathrins Zimmer, doch das Bett war leer. Im Treppenhaus war es totenstill, nur ab und zu knackte eine der hölzernen Dielen unter den Füßen der Mädchen. Plötzlich stieß Pat einen leisen Schrei aus: »Da schau, die Haustür ist offen!«
»Das darf doch nicht wahr sein«, stöhnte Angie, »Kathrin wird bei diesem Wetter doch nicht rausgegangen sein!«
Tatsächlich pfiff inzwischen ein starker Wind. Dunkle Wolkenfetzen jagten am Nachthimmel entlang.
»Wir müssen herausfinden, was Kathrin vorhat«, sagte Pat abenteuerlustig. »Komm mit!«
Sie liefen über den Hof und erreichten den Stall. Hier war es angenehm warm, und das Stampfen und Kauen der Pferde klang beinahe gemütlich. Angie tastete suchend nach dem Lichtschalter. »Wo ist bloß ...« Sie konnte ihren Satz nicht beenden, denn in diesem Augenblick löste sich eine Gestalt aus der Dunkelheit, lief eilig die Stallgasse hinunter und verschwand durch den Hinterausgang.
»Kathrin!«, rief Angie. »Bleib stehen!« Sie fand den Lichtschalter und knipste ihn an. Doch es war zu spät. Mit einer für Kathrin untypischen Behändigkeit war die Gestalt verschwunden.
»Verdammt«, zischte Pat, »die ist uns durch die Lappen gegangen.« Gerade als die Mädchen den Stall wieder verlassen wollten, hörten sie eine dünne Stimme: »Angie, Pat, seid ihr es?«
Sie wandten sich um und erkannten das verängstigte Gesicht von Erna, die hinter einem Schubkarren auftauchte. »Oh, ich bin so froh, dass ihr da seid«, schluchzte sie, »ich habe solche Angst!«
Pat fasste sich an den Kopf. »Das darf doch nicht wahr sein«, stöhnte sie, »spielen denn heute alle verrückt?«
Erna blickte unsicher von einer zur anderen, dann brach sie erneut in Tränen aus.
Angie schüttelte sie ärgerlich: »Hör endlich auf zu heulen. Sag uns lieber, was du und Kathrin hier zu suchen haben!«
»Kathrin?«, fragte Erna erstaunt und
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