Diamantenraub
Grundriss des Wohnhauses und der Ställe dar. Die Reithalle wurde natürlich erst sehr viel später erbaut. Und das«, ihre Stimme klang auf einmal sehr erregt, »ja, das muss die Stelle sein, an der man die Leiche der ermordeten Johanna vermutet.«
Das wurde ja immer unheimlicher! Jetzt gab es kein Zurück mehr, Chris wollte alles wissen. »Wer war Johanna, und warum wurde sie ermordet?«, fragte er daher.
»Johanna war Margarets Urgroßtante. Sie muss sehr reich gewesen sein, für damalige Verhältnisse zumindest. Doch dann geriet sie in die Fänge des alten Justin. Er hatte die Eulenburg vollkommen heruntergewirtschaftet und auch den letzten Cent versoffen. Als eines Tages die schöne reiche Johanna auftauchte, verstand er es, mit großen Lügen und Versprechungen sie für sich zu gewinnen. Er heiratete sie. Bei allen Geistern, es wird wohl immer ein Geheimnis bleiben, warum sie sich in diese gottverdammte Gegend verirrte! Vom Tage ihrer Hochzeit an fristete Johanna ein trauriges Dasein. Nicht nur, dass sie plötzlich nicht mehr über ihr Geld verfügen konnte, viel schlimmer war die grenzenlose Eifersucht ihres Mannes, die ihn immer wieder zu heftigen Wutausbrüchen veranlasste.«
»Warum hat sie sich nicht einfach scheiden lassen?«, unterbrach Chris.
Die Alte lachte. »Eine Ehescheidung wäre damals unmöglich gewesen. Das ging sogar so weit, dass sich Johannas Eltern vollständig aus dem Leben der Tochter zurückzogen, als sie feststellen mussten, einem Betrüger auf den Leim gegangen zu sein. Justin konnte nun ganz nach seinem Belieben mit ihr verfahren. Schließlich sperrte er sie ein. Doch selbst in dieser Situation quälte er sie mit seiner Eifersucht. Und eines Tages meinte er, sie habe ihn mit dem Hausangestellten betrogen, der ihr immer das Essen bringen musste. Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung: In seiner Wut erschlug er Johanna, dann brach er zusammen. - Natürlich konnte der Mord nicht lange geheim gehalten werden: Kurze Zeit später baumelte Justin am Galgen. Johannas Leiche hat man jedoch niemals gefunden.«
Chris schauderte. Wer hätte gedacht, dass in der Eulenburg vor vielen, vielen Jahren ein Mord geschehen war! In dem geliebten Pensionat, in dem seine Freunde unbeschwert ihre Ferien verbrachten. »Wie geht die Geschichte weiter?«, fragte er. »Und was hat Margaret mit der ganzen Sache zu tun?«
»Nun, Margaret lebte ja erst sehr viel später. Doch sie glaubte, was die Sage berichtet: Demnach soll Justin die Leiche seiner Frau in die Wand eingemauert haben - mit all ihren Kleidern und Juwelen. Er hat sie ihr nicht weggenommen, denn er wollte sie in voller Schönheit erhalten. Nur ihre Mitgift setzte er in Alkohol um. Heute vermutet man eher, dass Johanna im Meer versenkt wurde. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Justin sich die Mühe gemacht hat, eine Wand einzureißen und wieder aufzubauen. Das wäre schon aus zeitlichen Gründen ziemlich unmöglich gewesen. Aber, wie gesagt, Margaret hat wohl dennoch daran geglaubt. Immerhin hat sie hier die Stelle eingezeichnet, an der sich die Leiche befinden muss.«
Chris beugte sich über das Buch. Jetzt, da er wusste, dass die Zeichnung die Eulenburg darstellte, erkannte er die einzelnen Räume wieder. Leider war jedoch nicht ersichtlich, um welches Stockwerk es sich handelte.
»Und hier soll sich die Tote mit all ihren Reichtümern befinden?«, fragte er und deutete auf ein dünnes Kreuzchen.
Die alte Lina nickte. »Ja, das muss die Stelle sein.« Sie stand auf, schlürfte zum Regal hinüber und zog ein dickes Buch daraus hervor. »Hier kannst du die ganze Geschichte um die arme Johanna noch einmal nachlesen«, sagte sie. »Es ist eine Sammlung von Sagen, die alle in unserer Gegend spielen. Das Buch wird übrigens heute noch verkauft, vornehmlich an Touristen, die man mit solchen Sensationen zerstreuen will.«
Chris erhob sich. »Ich danke Ihnen«, sagte er herzlich. »Sie haben mir einen größeren Gefallen getan, als Sie glauben.«
»Oh, das möchte ich bezweifeln. Eines merke dir, mein Kind: Der alten Lina ist nichts verborgen.« Sie verabschiedeten sich voneinander, und Chris machte sich eilig auf den Heimweg. Dieses Mal, und das wusste er genau, dieses Mal würden ihn seine Freunde nicht auslachen.
In der Eulenburg wurde wild diskutiert: Bald sollte sich entscheiden, wer an der Prüfung zum Reitabzeichen teilnehmen durfte. Frau Moos hatte sehr geheimnisvoll getan, und auch Frau Jung ließ sich nichts
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