Diamantenschmaus
sich
ein leichtes, von Schadenfreude geprägtes Lächeln nicht verkneifen.
Inzwischen hatte er bereits den neuen Pass und der
gestohlene war für ungültig erklärt worden. In der Praxis bedeutete das jedoch
gar nichts. Denn in seiner unerschöpflichen Fantasie fielen dem derzeitigen
Besitzer des gesperrten Dokuments immer neue Möglichkeiten ein, Unfug und
Ärgeres damit anzustellen.
Na, wenigstens die neueste Strafverfügung würde er
wohl ohne persönliches Vorstelligwerden erledigen können. Sicher würde
Oberinspektor Wallner die ärgerliche Angelegenheit auf kurzem Wege aus der Welt
schaffen können, aber erst, sobald er aus seinem Urlaub zurück war.
Damit blieb das eigentliche Problem weiterhin
ungelöst. Die Beschreibung der Menschen, die den Benützer von Palinskis
Reisepass zu Gesicht bekommen hatten, lieferten lediglich das vage Bild eines
Durchschnittsmenschen. Durchschnittlich groß, dabei eher klein,
durchschnittliches Alter, durchschnittliches Übergewicht, unauffälliges
Aussehen, keine unveränderlichen Merkmale, Haarfarbe, falls überhaupt,
unauffällig, mit Glatze, Halbglatze, dunkelblond, brünett, braun, und so weiter
und so fort. Ja, ein Zeuge hatte sich sogar nicht entblödet, in diesem Punkt
hellschwarz anzugeben.
Mit diesen Angaben sollte die Polizei etwas anfangen können,
das war wirklich ein bisschen viel verlangt.
Aber möglicherweise würde Palinski, wie des Öfteren auch,
Kommissar Zufall helfen.
*
Der Anruf hatte Wilma kurz vor Mittag in ihrem
Direktionsbüro in der Schule in der Klostergasse erreicht. Zunächst hatte sie
keine Ahnung gehabt, wer der Anrufer war, dessen männlich sympathische Stimme
ihr allerdings irgendwie bekannt vorkam.
Er stellte sich als Oliver Beckmann von den Wiener Zeiten,
innenpolitisches Ressort, vor und outete sich als einer der Journalisten, die
gestern an der nach der Klausur der Grünen im Hotel Panhans abgehaltenen
Pressekonferenz teilgenommen hatten.
»Wir haben danach kurz in der Halle gesprochen, sehr geehrte
Frau Bezirksrat«, rief er Wilma politisch nicht völlig korrekt in Erinnerung.
»Ich bin der ungeschickte Mensch, der sich den Orangensaft über das Hemd
geschüttet hat.«
Jetzt wusste Wilma genau, um wen es sich handelte. Sah den
fast zwei Meter großen, höchstens 35 Jahre jungen Mann mit dem schüchternen und
gleichzeitig doch so frechen Grinsen vor sich. Er war ihr gleich aufgefallen,
weil er sie an Rudi Wocharek erinnerte. Jenen ›Rodolfo, le Beau‹, in den sie
und alle ihre Freundinnen in der Tanzschule kurz, heftig und erfolglos verliebt
gewesen waren.
Ja, ja, der Rudi, bei dem waren sie alle abgeblitzt. Der
hatte nur Augen für Sylvia gehabt, die allerdings wiederum nichts von ihm hatte
wissen wollen, weil sie unsterblich in einen Dr. Thalbert verschossen gewesen
war, den Assistenten ihres Vaters.
Wie es von da an weitergegangen war, daran konnte sich Wilma
nicht mehr so richtig erinnern. Aber Schnitzlers ›Reigen‹ war ein Dreck gewesen
gegen die Liebesdramen, die sich in ihrer Jugend mit ihr und um sie herum
abgespielt hatten. Wie auch immer, es war eine wunderschöne Zeit gewesen.
»… dieser Gelegenheit würde ich gerne ein Interview mit Ihnen
machen, liebe gnädige Frau. Was meinen Sie dazu?«
Oh weh, jetzt hatte er Wilma erwischt. Der gedankliche
Ausflug in ihre Teenagerjahre hatte ihre Konzentration und ihre
Aufnahmefähigkeit entscheidend beeinflusst. Sie hatte den Journalisten zwar
sprechen gehört, allerdings nicht verstanden, was er gesagt hatte. Daher hatte
sie nicht die geringste Ahnung, welchen Zusammenhang er meinte.
»Das klingt nicht uninteressant«, erwiderte sie vorsichtig
nach einer Schrecksekunde und hoffte, ihre Chancen damit gewahrt zu haben, ohne
sich gleichzeitig zu viel zu vergeben. »Sie müssen mir nur noch genauer
erklären, wie Sie sich das Ganze vorstellen.«
*
Nachdem Palinski die Ergebnisse seiner gestrigen
Befragung Hermine Wurminzers protokolliert hatte, musste er sich selbstkritisch
eingestehen, dass er bisher eigentlich so gut wie nichts herausgefunden hatte.
Bei dem, was er da zu Papier gebracht hatte, handelte es sich um kein
wirkliches Resultat, sondern lediglich um astreines Blabla. Bloß heiße Luft und
nicht einmal allzu viel davon.
Die alte Dame war außerordentlich nett, ja geradezu lieb und
erinnerte ihn immer mehr an die Kirchner-Omi. Was war das für eine liebe Frau
gewesen. Und der Gugelhupf von der Wurminzer war fast so gut wie der von der
Omi,
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