Diamantenschmaus
geblieben.
Von dem gefeierten Volksmusikstar fehlte nach wie vor jede Spur.
Genau das erfuhr die durch den eventuellen Tod
Martinovs ohnehin bereits äußerst beunruhigte österreichische Bevölkerung in
den Nachrichten um 11 Uhr.
*
Palinski hasste diese Stiegensteigerei. Früher
war er die Stufen zu Wilmas Wohnung im dritten Stock, jeweils zwei auf einmal
nehmend, förmlich hinaufgeflogen. Heute kämpfte er sich von Stockwerk zu
Stockwerk hoch wie ein … na ja,
eben wie ein alternder Mann mit Übergewicht und ohne jegliche Kondition, der er
eben auch war.
Eigentlich war es eine Schande, dass ihn eine schlecht
geschlossene Aufzugstüre, die die mechanische Aufstieghilfe im obersten
Stockwerk blockierte und ihn zu dieser physischen Grenzerfahrung zwang, so
außer Atem brachte. Aber Schande hin oder her, vor allem war er sauer auf die
Leute, die nicht einmal imstande waren, einen Aufzug richtig zu schließen.
Hermine Wurminzer war offenbar auf der Lauer gelegen. Denn
kaum hatte Palinski ihre Wohnungstüre passiert, als sich diese, wie von einer
unsichtbaren Lichtschranke ausgelöst, öffnete.
»Ja, der junge Herr von der Viererstiege«, tönte es in seinem
Rücken, »wie nett, dass Sie wieder bei uns vorbeischaun. Das trifft sich gut,
ich hab grad an Kaffee aufgstellt. Wolln S’ net hereinkommen?«
Palinski war fest entschlossen, dieses Angebot freundlich,
aber bestimmt abzulehnen. Er konnte sich unmöglich aufs Neue von der Oma
einladen lassen. Allerdings blockierte irgendeine geheimnisvolle Macht seine
Stimmbänder und machte es ihm unmöglich, nein danke zu sagen. Dieselbe magische
Kraft zwang ihn ganz gegen seinen Willen, stante pede umzudrehen, die alte Dame
liebenswürdig, dankbar und leicht dümmlich anzugrinsen und in ihrer Wohnung zu
verschwinden.
Da saß er nun, bei Kaffee und …,
nein, bei keinem Marmorgugelhupf, obwohl er, wenn er ganz ehrlich war,
insgeheim darauf gehofft hatte. Heute hatte ihm Oma Hermine einen
sensationellen Mohnstrudel vorgesetzt, der ebenfalls seinesgleichen suchte.
Wenn er schon da saß und die köstliche Mehlspeis in sich
hineinstopfte, als gäb’s kein Morgen, konnte er genauso gut auch etwas
arbeiten, fand Palinski. Das wäre vielleicht gar nicht übel, um etwas gegen
sein schlechtes Gewissen wegen dieser Situation zu unternehmen.
»Also, der Strudel ist ausgezeichnet, Frau Wurminzer.« Er
klopfte sich wieder einmal auf seine langsam beeindruckende Wampe, um das Lob
zu unterstreichen. »So was Gutes habe ich seit Langem nicht mehr gegessen.
Nicht mehr, seit …«, er zögerte.
»Wenn ich ehrlich bin, seit dem Marmorgugelhupf gestern. Sie verwöhnen mich ja
richtig und ich werde noch blad [14] dabei.«
Was nicht ganz stimmte, denn das war Palinski längst. Wieder
klopfte er auf den respektablen Schwimmreifen um seine Hüfte.
»Aber S’, junger Herr«, der Wurminzer schien das Lob sehr zu
gefallen, ihr höchst zufriedener Gesichtsausdruck war nicht zu übersehen. »Des
is ja nix Bsonders. Oba ich freu mich, wenn’s Ihnan schmeckt. Übrigens, Sie
müssen dann wieder a Stückerl für Ihre Frau mitnehman.«
»Ich hab leider noch ein paar Fragen an Sie.« Endlich hatte
Palinski es geschafft, das Thema zu wechseln. »Fragen zum Tod vom Herrn
Lesonic. Keine Angst«, er versuchte, die alte Dame zu beruhigen, die auf den
plötzlichen Themenwechsel etwas erschrocken reagierte, »nichts von Bedeutung.
Es geht nur darum, dass nach wie vor einige Punkte ungeklärt sind.«
So ein Blödsinn, alles war zurzeit ungeklärt, der ganze Fall
Lesonic ein einziges Rätsel. Obendrein die Behauptung, die Befragung wäre ohne
Bedeutung. Wozu sollte denn diese Fragerei überhaupt gut sein? Für wie dumm
hielt er die alte Dame eigentlich?
»Ich meine, natürlich sind die Fragen von Bedeutung«,
korrigierte Palinski, »was ich vorhin gemeint habe, war, dass Sie persönlich
nicht davon betroffen sind.«
Frau Wurminzer nahm’s offenbar nicht weiter tragisch. »Schon
gut«, meinte sie und lächelte wieder, »Sie tun ja auch nur Ihre Pflicht, junger
Mann.« Sie stand auf und goss ihm etwas frischen Kaffee in seine Schale. »Nur
zu, was wollen Sie von mir wissen?«
*
Florian
Nowotny hatte sich, wie von Palinski richtig angenommen, mit ganzem Elan auf
die ihm gestellte Aufgabe gestürzt. Zunächst allerdings ohne nennenswerten
Erfolg.
Die Datenbank ›Crimes and Ideas‹ lieferte einige an sich
bemerkenswerte Treffer in Bezug auf gestohlene oder verschwundene
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