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Diamantenschmaus

Diamantenschmaus

Titel: Diamantenschmaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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Gebäude.«
    Scherzhaft drohte die Brandl dem Inspektor mit dem erhobenen
Zeigefinger. Oder war das ernst gemeint? Heidenreich war sich nicht ganz
sicher, hatte allerdings eine gute Replik auf Lager.
    »Mit Verlaub«, entgegnete er und deutete zu dem halbhohen
Aktenschrank an der Wand, auf dem das Miniaturmodell einer Guillotine stand,
»da muss ich widersprechen. Nur weil dieses Gerät hier steht, bedeutet das ja
auch nicht, dass wir hier Leute köpfen.«
    Kein schlechtes Argument, fand der Inspektor nicht
ohne Stolz. Auch wenn es ein wenig durch den Umstand entwertet wurde, dass es
sich bei der kleinen Köpfungsmaschine eigentlich um einen Zigarrenschneider
handelte.
    Nachdem die Polizei Lesonic dann doch irgendwann
einmal von den Schulen vertrieben hatte, verlegte »dieser wirklich schlechte
Mensch seine Aktivitäten in die umliegenden Parks. Dort hat er Zigaretten an
Halbwüchsige verteilt und ihnen gezeigt, wie man den maximalen Lungenzug
schafft, ohne sich sofort übergeben zu müssen. ›Bis in die klane Zechn muaß ma
den spian und wieder zruck‹, wie der Primitivling das Prozedere beschrieben
hat. Dieses Schwein hat ganze Generationen junger Leute der Nikotinsucht
zugeführt. Niemand hat zunächst etwas dagegen unternommen.« Frau Brandl
korrigierte sich sofort. »Oder zumindest fast niemand. Über die zwei, drei
Personen, die dagegen aufgetreten sind, hat man sich anfangs nur lustig
gemacht.«
    Mit den Jahren hatte sich Lesonic zur grotesk-grauslichen
Karikatur des unverbesserlichen Rauchers entwickelt und war in dieser Rolle
österreichweit auch medial gepusht worden. Es gab kein Klischee, das der an
sich nicht unsympathische Mann nicht mit Begeisterung erfüllt hätte. Kein
Vorurteil, das er nicht zumindest nachträglich bestätigte.
    Mit der Zeit machte ihn das für die Befürworter des
Nichtraucherschutzes zum ›Gottseibeiuns‹, zum Nikotinpropheten, der alles das
verkörperte, was die Gesellschaft aus guten Gründen zunehmend kritischer betrachtete
oder ganz ablehnte.
    Für die Raucher wiederum, ihrem als kulturelle Errungenschaft
und Ausdruck individueller Freiheit euphemisierten Laster bis in den Tod
ergeben, war der Karl eine Lichtgestalt. So eine Art letzter Ritter der wahren
Lebensart, ein, nein der Freiheitskämpfer wider die zunehmenden
Pressionen einer regulierungswütigen, alles nivellieren wollenden Bürokratie.
    »So komisch es klingen mag, ich war froh, dass es jemanden
wie den Karl gegeben hat«, räumte Helene Brandl ein. »Ein so hervorragendes
Beispiel dafür, was Nikotin alles anrichten kann, wird es kaum je wieder geben.
Irgendwie wird mir dieser Mann direkt fehlen. Für die Argumentation, verstehen
Sie?«
    Nach und nach lieferte Helene Brandl ein dichtes,
penibel genaues Bild von Lesonics Schandtaten, die zum größten Teil in einem
zumindest quantitativ nicht unbeachtlichen Strafregisterauszug zusammengefasst
waren. »Mit einer einzigen Ausnahme alles nur Geldstrafen«, wie die Brandl
ausdrücklich betonte, »obwohl er nachweisbar, und das wird in den verschiedenen
Strafbegründungen sogar immer wieder ausdrücklich bestätigt, mit seinem
Verhalten Kinder und Jugendliche wiederholt nicht nur abstrakt gefährdet hat.
Leider war das Bewusstsein für derlei Verbrechen bis vor Kurzem noch relativ
unterentwickelt«, beklagte sie. »Vor allem bei den Strafverfolgungsbehörden.«
    Die einzige, allerdings nur bedingte
Freiheitsstrafe hatte sich Lesonic eingehandelt, nachdem er wiederholt Hunde
und Katzen in kleinen Räumen, ja sogar Behältnissen eingesperrt und intensivem
Zigarettenrauch ausgesetzt hatte. »Der Karl hat versucht, dieses pervertierte
Verhalten als wissenschaftlichen Versuch hinzustellen. Er wollte damit
angeblich beweisen, dass das Rauchen gar nicht so schädlich war, wie immer
behauptet wurde. Nach mehreren Geldstrafen hat er schließlich wegen
Wiederholung endlich sechs Wochen Arrest, bedingt auf fünf Jahre, erhalten.
Zusätzlich zur obligaten Geldstrafe.«
    Helene Brandl schüttelte angewidert den Kopf. »Es
ist bezeichnend für den Zustand unserer Gesellschaft, dass eine Verurteilung
dieses Monsters nur wegen Tierquälerei möglich gewesen ist.«
    Irgendwie schlimm, bestätigte Heidenreich, der das noch nie
von dieser Seite her betrachtet hatte. Andererseits hatte er immer das Gefühl
gehabt, dass Tiere hierzulande eindeutig die bessere Lobby besaßen als
beispielsweise Kinder.
    »Das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, dieses Monster,
wie Sie es genannt haben,

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