Diamantenschmaus
Deutsch. Fernöstliche Kampfsportarten fürs Jenseits,
was sollte der Nonsens?
»Ich hab es zuerst auch nicht glauben wollen«, referierte die
alte Dame unbeirrt weiter, »dass man aus …«, doch Palinski hörte nicht zu.
Hörte einfach nicht hin, sondern überlegte fieberhaft, wie er aus der
unangenehmen Situation so rasch wie möglich herauskam.
Und immer wenn die Not am größten war, schien Gott am
nächsten, das hatte Palinskis Oma immer gesagt. Heute war es das Handy, dessen
nervtötendes Didelidei, Didelidum von ihm ausnahmsweise einmal als reinster
Schalmeienklang wahrgenommen wurde.
»Immerhin fast 5.000 Euro, aber ich hab mein Leben lang
gespart und der Bernie …«, Frau Wurminzer war nicht zu bremsen und ließ
sich auch von Palinskis Telefonat nicht unterbrechen.
Es war Florian, der ganz aufgeregt berichtete, etwas sehr Interessantes
im Internet entdeckt zu haben. Natürlich war sein Chef nur zu gerne bereit,
sofort ins Institut zu kommen, um sich diese Sache höchstpersönlich anzusehen.
Bei Frau Wurminzers Hinweis darauf, dass sie »auf diese Weise
ein einzigartiges Erinnerungsstück …«, was immer auch das war, sah sich
Palinski zu seinem größten Bedauern gezwungen, seiner Gastgeberin massiv ins
Wort zu fallen.
»Das ist ja hochinteressant, Frau Wurminzer«, er trat auf die
alte Dame zu und fuchtelte dabei mit dem Handy herum, als ob das allein alles
erklärte, »bedauerlicherweise muss ich unbedingt sofort weg. Es tut mir sehr
leid. Wissen Sie was?« Palinski versuchte, etwas Tröstliches zu sagen. »Wir
sprechen über das ganze Thema mit dem … Erinnerungsstück bei nächster Gelegenheit
in aller Ruhe.«
»Na schön«, meinte die alte Dame unverdrossen, »was sein
muss, muss sein. Vergessen Sie das Reindl [15] mit dem Krautfleisch nicht.« Sie deutete auf das Plastiksackerl am Tisch. »Und
herzlichen Gruß an Ihre liebe Frau.«
4.
Montag, 8. März, nachmittags
Hildi
Forderberg war bei Bewusstsein. Wieder einmal. Das dritte Mal, seit sie von den
freundlichen Rettungsmännern in die Klinik gebracht worden war. Oder war es
schon das vierte Mal? Sie wusste es nicht so genau, weil ihre wachen Momente,
die vor allem der Befriedigung gewisser Bedürfnisse gedient hatten, nur ganz
kurz gewesen und von intensiven Traumbildern überlagert worden waren. Überhaupt
befand sie sich in einem Zustand unwirklicher Wahrnehmung und damit permanenter
Verwirrung.
Sie hatte zudem jegliches Gefühl für Zeit
verloren. Rein gefühlsmäßig schien der Unfall, der sie ins Krankenhaus gebracht
hatte, nur wenige Stunden zurückzuliegen. Andererseits konnte sie wiederum
Vögel zwitschern, die Meeresbrandung rauschen und in der Ferne einen Eisverkäufer
sein ›Gelato, gelato‹ anbieten hören. Und rund um ihren offenbar nur in einem
Badeanzug steckenden Körper spürte sie heißen Sand, während die warmen Strahlen
der Sonne ihre ranken Glieder umschmeichelten.
Der Unfall war im kalten März gewesen, daran konnte
sich Hildi noch ganz genau erinnern. Derzeit war sie irgendwo am Meer,
wahrscheinlich an der italienischen Adria, und genoss das schöne Wetter. Der
Lufttemperatur nach zu schließen war noch nicht Hochsommer, zumindest jedoch
Ende Mai, wenn nicht sogar Mitte Juni. Das würde bedeuten, dass …
Sie hatte schrecklichen Durst und leichte Kopfschmerzen. Wenn
sie nicht bald etwas Wasser bekäme, würde sie durchdrehen. Und dieses bamstige [16] Gefühl
im Mund. Überhaupt fühlte sie sich, als ob sie in Watte gepackt wäre. Nicht
unangenehm, aber fremd und daher irritierend.
Hildi versuchte krampfhaft, ihre Augen zu öffnen,
um die verwirrenden Schlussfolgerungen durch einen optischen Eindruck zu
verifizieren. Doch so sehr sie sich auch bemühte, etwas zu sehen, alles blieb
dunkel. Nein, mehr als das, die Färbung war astreines Schwarz.
Sie bildete sich ein, einen leichten Druck um die
Augen herum und an den Schläfen zu verspüren, möglicherweise von einer
Schlafmaske oder etwas Ähnlichem. Als sie versuchte, sich mit der linken Hand
ins Gesicht zu fahren, um diese Maske zu entfernen, musste sie feststellen,
dass der Bewegungsspielraum ihrer Arme drastisch eingeschränkt war. Die
Fesseln, die sie an ihren Armen feststellen musste, ermöglichten es ihr
lediglich, ihre oberen Extremitäten maximal 10, 15 Zentimeter anzuheben
und innerhalb dieses Radius hin und her zu bewegen. Da das nicht genügte, um
ihre Augen zu erreichen, begann sich Panik in ihr breitzumachen. Kein Wunder
bei der
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