Diamantenschmaus
Noch dazu kann man angeblich feststellen, ob es sich um
einen synthetischen Stein handelt oder nicht. Zumindest im Labor.«
»Da wird der derzeitige Besitzer des
Frank-Bielevetz-Diamanten voraussichtlich kein tolles Geschäft machen«,
schlussfolgerte Palinski. »Tja, wenn es sich um einen echten ›Rocky Balboa‹
handelte, oder es gäbe für die Opernfreunde einen ›Toscanini-Diamant‹, würde
die Kasse mit Sicherheit wesentlich mehr klingeln.«
Während sich die verbale Ausformung dieses spontanen
Gedankens noch über seine Lefzen quälte, blickte Palinski Florian wie
elektrisiert an.
Genau das war’s, das musste es sein. Das war die Antwort auf
die Frage, warum die Leiche Konstantin Boreskovs entführt, nein, geraubt worden
war.
»Jjja, that’s it«, Florian grinste ihn triumphierend an,
stolz darauf, dass Palinski die gleichen Schlussfolgerungen gezogen hatte, zu
welchen er längst zuvor gelangt war.
Das plötzlich einsetzende Didelidei, Didelidum von Palinskis
Handy unterbrach die befriedigende Stille. Am Rohr war Miki Schneckenburger.
Der Herr Minister wünschte seinen Freund Mario dringend zu sprechen.
Persönlich.
*
Wilma hatte die Halle des InterContinentals
betreten und sah sich suchend um. Oliver Beckmann, der Journalist, der ein
Interview mit ihr machen wollte, hatte bei ihrem gestrigen Telefonat das
riesige Hotel am Stadtpark als Treffpunkt vorgeschlagen. Exakt um 17 Uhr.
Heute, kurz nach 15 Uhr, hatte er sich nochmals bei ihr
gemeldet.
»Ich bin nach wie vor in Krems. Es kann sein, dass ich mich
ein wenig verspäten werde«, hatte er befürchtet und sich vorsichtshalber
entschuldigt. »Nehmen Sie doch bitte inzwischen Platz an der Bar, gnädige Frau.
Ich werde mein Bestes geben, um so schnell wie möglich bei Ihnen zu sein.«
Wilma war ziemlich angetan von dem überaus kultiviert
wirkenden jungen Mann, der auf eine angenehme Art und Weise ein wenig
konservativ wirkte.
Der Journalist, der, na mindestens, zehn Jahre jünger war als
sie, hatte ihr durch sein höfliches und dennoch bestimmtes Auftreten den
Eindruck vermittelt, von kultivierter Lebensart zu sein. Dazu kam, dass der
Mann extrem gut aussah und einen ausgesprochen gepflegten Eindruck machte.
Nicht wie ihr Mario mit seinem chronisch schlampigen Äußeren: ein unfrisierter
Schopf, der meistens struppig wirkende Bart, die sich über seinem immer fetter
werdenden Äquator spannenden Leiberln und der schmuddelige Pullover mit der
Speisekarte einer ganzen Woche vorne drauf. Bbbrrrrr.
Mit einem Wort, einfach ungepflegt. Himmel, wie sie sich
manchmal für ihn genierte. Jawohl, genierte.
Sie hatte zwar immer wieder versucht, ihn mit guten Worten
dazu zu bewegen, mehr auf sich zu achten. Bemühungen dieser Art waren freilich
regelmäßig wirkungslos an seiner ›Ich bin nun einmal, wie ich bin‹-Mentalität
abgeprallt.
Aber auch ihre als Notwehr angesehenen Versuche,
ihn durch Beschlagnahme seiner bei aller Toleranz wirklich nicht mehr
akzeptablen Kleidungsstücke zu lenken, waren fehlgeschlagen. Mario hatte vor
allem seine Lieblingspullis abends einfach versteckt, um am nächsten Morgen mit
Frühstückseiflecken vorne drauf und einem Ausdruck boshaften Stolzes im Gesicht
damit herumzustolzieren.
Und wenn er ihr wieder einmal unter den Händen
weggeschlummert war wie gestern Nacht, hätte sie ihn am liebsten beim Frühstück
erwürgt. Wie heute Morgen.
Wilma ertappte sich dabei, wie sie, zunächst wohl unbewusst,
diesen Oliver Beckmann mit Mario verglich.
Es war leicht, sich vorzustellen, zu wessen Gunsten dieser
Vergleich ganz deutlich ausging. Natürlich nur vordergründig, rein äußerlich,
wie Wilma sofort ein wenig schuldbewusst einschränkte. Denn was vor allem
zählte, waren ja wohl …
Komisch, Mario war nie auf Äußerlichkeiten fixiert gewesen.
Sie erinnerte sich noch gut, wie er ihr vor – sie konnte sich beim besten
Willen nicht mehr an das Jahr erinnern –, also, wie er ihr schon vor
langer Zeit erklärt hatte, dass »wer nicht mit der Mode geht, auch nicht
unmodern werden kann.«
Das leuchtete ein und war ganz gut und schön. Aber zwischen
Modediktat und den Lederflecken auf den Sakkoärmeln, seinen ausgebeulten
Schnürlsamthosen oder den Jeans mit eingeplanter Sollrissnaht musste es doch
noch etwas anderes geben.
Manchmal kam es vor, dass sie ob Marios nonchalantem Umgang
mit Dingen, die ihr wichtig waren, und dazu gehörte eben unter anderem ein
adrettes Äußeres, verzweifelte und stinksauer auf
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